Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.586

 

wenn er die Arbeitshäftlinge zu erhöhtem Einsatz antrieb. Die kleinste Unregelmässigkeit konnte, wenn er sie entdeckte, für den ertappten Häftling den Tod bedeuten. Eine Vielzahl von Menschen hat er ohne oder nur aus nichtigem Grunde erschossen. Er galt andererseits bei den Arbeitshäftlingen als ein Mann, der sorgfältige und gründliche Arbeit zu schätzen wusste, hiervon auch etwas verstand. Er hatte den Ruf, besonders klug zu sein, es sofort zu erahnen, wenn etwas im Lager vor sich ging, was nicht seinen Vorstellungen entsprach. Er galt nicht zuletzt wegen dieser Eigenschaft als der gefährlichste deutsche Aufseher. Auch die Angehörigen des deutschen Lagerpersonals oder gar die ukrainischen Wachmänner konnten nicht davor sicher sein, von ihm nicht in barscher Weise zurechtgewiesen und beschimpft zu werden, wie es beispielsweise dem früheren Mitangeklagten K. 335 wiederholt geschehen ist, der sich seinerseits bemühte, den Juden das Schicksal etwas erträglicher zu gestalten.

 

Der Angeklagte Frenzel sah in Wagner sein Vorbild. Er eiferte ihm nach, bemühte sich, im Lager eine ähnlich wichtige Rolle zu spielen.

 

Es ist nicht sicher festzustellen, warum Christian Wirth Frenzel im Sommer 1942 zum verantwortlichen Führer des Bahnhofskommandos und zum Leiter des Lagers I machte. Ein Grund lag sicher darin, dass Frenzel zu dieser Zeit die von ihm erwarteten Aufbauarbeiten im wesentlichen abgeschlossen hatte. Stangl hatte ihn, die Lorenbahn bis zum Lager III war bereits fertiggestellt, beauftragt, Krankentransporte zum Vernichtungslager III zu begleiten. Nachdem Frenzel das zweimal mitgemacht hatte, erklärte er Stangl, diese Arbeit nicht regelmässig übernehmen zu wollen. Daraufhin übernahmen wieder Bredow und Richter, die auch zuvor schon für diese Arbeit eingesetzt gewesen waren, die Begleitung der Krankentransporte; Frenzel wurde zum Leiter des Lagers I und des Bahnhofskommandos eingesetzt. Bevor er offizieller Leiter des Lagers I wurde, war ihm vorübergehend die Führung eines Zuges der Ukrainer übertragen worden, verbunden mit der Aufgabe, deren Einteilung als Begleitmannschaften vorzunehmen; Chef der Ukrainer insgesamt blieb währenddessen Lac. Wahrscheinlich ist, dass Stangl und Wirth schon in den ersten Wochen der Lagerzeit zu der Überzeugung gelangt waren, dass Frenzel aufgrund seiner handwerklichen Fähigkeiten einerseits und seines an den Tag gelegten Eifers andererseits besonders geeignet war, die nach dem Spiess im Lager Sobibor - ausserhalb des Lagers III - für den Lagerbetrieb wichtigste Position einzunehmen.

 

Auch während des weiteren Lagerbestehens kam es zwar immer wieder zu gewissen Bautätigkeiten, doch banden diese die Möglichkeiten Frenzels nicht so, dass er sich nicht den neuen Aufgaben hätte widmen können. So wurde im Vorlager beispielsweise noch ein neues Kasino errichtet und im Lager I wurden einige weitere Baracken erstellt, im Lager II bzw. unmittelbar nördlich der Umzäunung dieses Lagers, von diesem durch ein Tor getrennt, grosse Magazinbaracken aufgestellt, von denen zumindest eine aus einem nur leicht geneigten festen Holzdach bestand, das auf ca. 5 bis 7 m hohen Pfosten ruhte, und deren Wände lediglich aus Planen und Decken bestanden, die an den Pfosten befestigt waren und die eingelagerten Gegenstände vor den Einflüssen von Regen etc. schützten.

 

Schliesslich wurde auch noch im Verlaufe des Sommers 1943 begonnen, das Lager IV, auch als Nordlager bezeichnet, zu errichten. Nach Rodungsarbeiten wurden hier Erdbunker bzw. Unterstände errichtet, die im wesentlichen dem Zweck dienen sollten, dort Beutemunition zu lagern und zur Verwertung aufzuarbeiten. Auch diese Arbeiten wurden Frenzel wiederum übertragen, der sich bei seinen bisherigen Aufgaben bestens bewährt hatte. Die gebauten Tiefbunker, in denen die Munition eingelagert werden sollte, wurden nicht mehr voll in Benutzung genommen. Der Ausbau des Teillagers wurde wegen des Aufstandes und des daraufhin

 

335 Siehe Lfd.Nr.233.