Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.577

 

ersten grossen Transportes Anfang Mai 1942 bewusst, welche unsäglichen Leiden den Menschen auf ihrem Weg in den Tod zugefügt wurden und weiter, dass den zur Vernichtung bestimmten Menschen noch bei ihrem Eintreffen im Lager, dem Weg zum Auskleideplatz, der Abgabe der Wertsachen und dem weiteren Weg bis in die Gaskammern verborgen gehalten wurde, dass ihr Tod bevorstand.

 

Frenzel wusste, wie auch die anderen deutschen Lagerangehörigen, dass der Antransport der Juden nach Sobibor mit Sonderzügen, und zwar meist in geschlossenen Güterwagen, erfolgte und die so transportierten Menschen in der Vorstellung gehalten wurden, sie sollten "umgesiedelt" oder "ausgesiedelt" werden. Dass die einzelnen Züge auf dem Weg vom Abfahrtspunkt bis zum Vernichtungslager gar nicht oder nur vereinzelt halten konnten, den Juden es aber in jedem Fall verboten war, die verschlossenen Waggons während des Transportes zu verlassen, war ihnen bekannt, auch, dass diese Umstände in ihrem Zusammenwirken dazu führten, dass die Juden erhebliche körperliche Leiden erdulden mussten. Sie durften ihre Notdurft nur in den geschlossenen Waggons verrichten, was alsbald zu einer immer unerträglicher werdenden Verpestung der Luft in den Waggons führte. Wasser und Getränke erhielten die Juden nicht. Bemühten sie sich, auf den vereinzelten Halten durch die kleinen Lüftungsklappen um Wasser zu betteln, so liefen sie Gefahr, vom Begleitpersonal erschossen oder misshandelt zu werden. Diese körperlichen Qualen erreichten ihren Höhepunkt bei den in der wärmeren Jahreszeit durchgeführten Transporten, als durch starke Sonneneinwirkung und durch die Vielzahl der in den einzelnen Waggons befindlichen Menschen sehr bald eine unerträgliche Hitze entstand; in den Wintermonaten führten die oft eisigen Temperaturen in den zugigen Güterwagen oft zu Erfrierungen.

 

Die im Lager Sobibor angekommenen Menschen mussten sich, soweit sie gehfähig waren, auf der Rampe aufstellen, und zwar getrennt nach Geschlechtern, wobei Kinder bis zum Alter von 6 oder 7 oder auch 10 Jahren bei ihren Müttern, bzw. bei der Gruppe der Frauen zu bleiben hatten. Die Rampe war noch in den ersten Wochen des Lagerbestehens von Frenzel und seinem Bautrupp erhöht und stärker als zuvor befestigt worden, um die bequemere Abfertigung der eintreffenden Transporte zu gewährleisten.

 

Bei den ersten Transporten war noch so verfahren worden, dass aus der Gruppe der eingetroffenen Männer etwa bis zu 50 zurückbehalten wurden, die die bei der jeweiligen Transportabwicklung anfallenden Arbeiten zu erledigen hatten, um als letzte Gruppe, meist noch am selben Abend, getötet zu werden. Schon nach kurzer Zeit hatte sich dieses Verfahren als unzweckmässig herausgestellt. Dieserhalb ging man dazu über, mit der Zeit jüdische Menschen auf Dauer auszusondern, im Lager I unterzubringen und zu Arbeiten über den jeweiligen Transport hinaus heranzuziehen. Auf das Schicksal dieser als "Arbeitsjuden" bezeichneten Menschen wird noch im einzelnen eingegangen.

 

In der Anfangszeit hatte Stangl oder sein Stellvertreter die Aufsicht bei der Abwicklung der Transporte auf der Rampe geführt. Er setzte schon nach kurzer Zeit für diese Tätigkeit einen anderen deutschen Lagerangehörigen ein. So, wie er sich auch im sonstigen Lagerbetrieb weitgehend zurückhielt, zog er sich auch aus dieser Tätigkeit zurück. Er war zwar, wie auch sein Nachfolger Reichleitner in späteren Monaten, häufiger zur Ankunft von Transporten auf der Rampe, beide liessen jedoch grundsätzlich den als Leiter des Bahnhofskommandos eingesetzten SS-Mann gewähren. Zunächst führte Weiss dieses Kommando, wurde jedoch nach wenigen Wochen von Frenzel in dieser Tätigkeit abgelöst.

 

Der genaue Tag steht nicht fest, wohl aber, dass Frenzel ab Sommer 1942 verantwortlicher Führer des Bahnhofskommandos war. Ihm unterstanden vier bis fünf SS-Unterführer, 10 bis 12 Ukrainer und etwa 20 Arbeitsjuden; sie bildeten das "Bahnhofskommando". Wenn das Eintreffen eines Transportes angekündigt worden war, wurde das Bahnhofskommando zusammengerufen und begab sich zur Rampe. Von dem auf einem Nebengleis ausserhalb des