Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.573

 

Betonfundament. Innerhalb dieses Gebäudes waren drei Zellen zu je etwa 4 x 4 m Grösse gasdicht abgeteilt. Jede Zelle hatte in den sich gegenüberliegenden freien Wänden je eine Luftschutztür erhalten, die eine innen zum Betreten der Zelle, die andere aussen zum Herausholen der Leichen. In den Türen befanden sich kleine Sichtfenster, durch die man von aussen beobachten konnte, wie der Erstickungstod der eingepferchten Menschen vor sich ging bzw. wann der Tod eingetreten war, so dass die Kammern zum Zwecke des Abtransportes der Leichen geöffnet werden konnten. Das Vorkommando hatte bei diesem Gebäude auch bereits die Installationsarbeiten vorgenommen und einen besonderen Anbau zum festen Einbau eines Motors errichtet, der die zum Umbringen der Juden zu verwendenden Motorabgase liefern sollte. Der Auspuff des aufgestellten grossen Otto-Motors war an ein Rohrleitungssystem angeschlossen, das in Brausedüsen an den Decken der einzelnen Gaskammerzellen endete. Auf Anordnung von Wirth war jener Motor bereits herbeigeschafft worden. Es ist davon auszugehen, dass das Herbeischaffen, Aufstellen, Einrichten und Probelaufen des Motors geschah, ohne dass der in der zweiten Hälfte April 1942 eingetroffene Angeklagte Frenzel hiermit etwas zu tun gehabt hatte. Der Motor hatte eine bestimmte, von Chemikern berechnete Vergasereinstellung und Drehzahl erhalten. Bei geschlossenen Türen der Zellen wurde innerhalb der Kammern eine so starke Konzentration von tödlich wirkenden Motorabgasen (Kohlenmonoxyd, Kohlendioxyd) erreicht, dass die eingesperrten Menschen innerhalb von etwa 20 bis 30 Minuten qualvoll erstickten.

 

Wie in allen anderen Vernichtungslagern, in denen Tötungen durch Vergasungen stattfanden, waren auch in Sobibor ein oder zwei Probevergasungen durchgeführt worden, wobei ein wahrscheinlich von der "T4" abgestellter Chemiker die Gaskonzentration geprüft und Anweisungen für die Vergasereinstellung des Motors gegeben hatte. Jener Chemiker ist nicht sicher ermittelt worden und es ist möglich, dass der Angeklagte Frenzel ihn nicht persönlich kennengelernt hat. Es ist auch nicht feststellbar, dass der Angeklagte bei den Probevergasungen, bei denen Christian Wirth anwesend gewesen und bei denen eine Gruppe von jeweils 30 bis 40 jüdischen Menschen getötet worden war, zugegen war. Fest steht aber, dass er in der Anfangsphase des Lagerbestehens wiederholt im Lager III gewesen ist und gelegentlich dieser Aufenthalte auch in die Gaskammern hineingesehen hatte, so dass er durch eigene Beobachtungen wusste, welch qualvollen Tod die in den Gaskammern eingepferchten Menschen erlitten.

 

Für das Aufstellen des Motors, seine erste Einstellung nach Anleitung durch den Chemiker und die spätere Bedienung des Motors war der SS-Scharführer Erich Fuc. 323 verantwortlich, den Christian Wirth im Februar 1942 von Bernburg aus mit in den Lager Belzec, das damals gerade fertig geworden war, genommen hatte. Fuc. war dann im April 1942 für mindestens 1 Monat nach Sobibor und anschliessend zum im Aufbau befindlichen Lager Treblinka versetzt worden. Von ihm übernahm in Sobibor der SS-Oberscharführer Erich Bauer 324 die Funktion im Lager III. Letzterer war vor allem auch als LKW-Fahrer eingesetzt.

 

Auch für den übrigen Auf- und Ausbau des Lagers III war nicht der Angeklagte Frenzel, sondern waren die von der Waffen-SS kommenden Kurt Bol. und Hubert G. 325 verantwortlich. Beide kannte der Angeklagte aus ihrer gemeinsamen Tätigkeit in der Euthanasie-Aktion. Sie waren von Wirth damit beauftragt worden, unmittelbar nach ihrem Eintreffen mit den weiteren Arbeiten zur Herstellung der grossen Gruben im Bereich des Lagers III zu beginnen. Zum Teil aus den jüdischen Arbeitskräften, die sie beim Eintreffen im Lager vorgefunden hatten, zum Teil aus solchen jüdischen Menschen, die bei den wenig später

 

323 Siehe Lfd.Nr.641.

324 Siehe Lfd.Nr.212.

325 Siehe Lfd.Nr.017, 233 und 885.