Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.571

 

Unter Frenzels Anleitung errichtete die Baukolonne zunächst die äussere Umzäunung des Lagers, ausserdem einige hölzerne Wachtürme. Etwa in Höhe der Stationsgebäude wurde zwischen dem Neben- und dem Rangiergleis ein hölzerner Wachturm aufgestellt. Von hier aus wurde ein Stacheldrahtzaun in nördlicher Richtung, parallel zwischen den beiden Gleisen derartig gezogen, dass er vom Wachturm an die Rampe in das umzäunte Lager miteinbezog. Am Ende des Rangiergleises knickte der Zaun nach links ab, verlief einige Meter nach Westen, um sich dann wieder nach Norden zu wenden. Er führte, wieder parallel zum Hauptbahngleis, an der Kapelle vorbei. Nach einer weiteren Strecke von etwa 150 m wurde ein weiterer Wachturm errichtet. Etwa in Höhe dieses Turmes verlief der Zaun in westlicher Richtung weiter bis hinter den Bereich des Lagers III. Diese nördliche Umgrenzung des Lagers ist im Verlauf nicht mehr exakt festzulegen, ebenfalls nicht mehr die westliche Absperrung. Sicher ist nur, dass diese Lagerzaunabschnitte durch Waldgelände verliefen. Die südliche Umzäunung, die sich lückenlos an die westliche anschloss, endete an dem bereits erwähnten Wachturm am Lagereingang. Einige wenige Wachtürme sicherten auch die westliche und südliche Absperrung des Lagers. Der gesamte umlaufende Zaun war durchgängig 2,50 m hoch. Wie Frenzel wusste, war grundsätzlich vorgesehen, dass die mit Transporten eintreffenden jüdischen Menschen innerhalb weniger Stunden getötet wurden und im Hinblick auf die vorgesehene Abwicklung eines jeweiligen Transportes auch kaum Gelegenheit hatten, ernsthafte Fluchtversuche zu unternehmen. Es genügte daher, diese, im Vergleich etwa zu Konzentrationslagern, einfache Sicherung des Lagers. Soweit der Zaun allerdings das Gelände gegenüber der Bahnlinie abgrenzte, hatte der Zaun die weitere Funktion zu übernehmen, Einblickmöglichkeiten von der Bahnstation oder vorbeifahrenden Zügen aus zu verhindern, damit der eigentliche Lagerzweck Unbefugten nicht erkennbar war. Zu diesem Zweck liess der Angeklagte den Lagerzaun mit Tannen- und Kieferzweigen durchflechten, und zwar auf der gesamten Länge von der Südostecke des Lagers aus bis etwa zu der Stelle - ca. 50 m südlich der Kapelle - an der der bewaldete Teil des Lagers begann. In dem Bereich zwischen Abstellgleis und Nebengleis befindet sich eine durchweg 1 m tiefe muldenförmige Senke, die sich in Längsrichtung zwischen diesen beiden Gleisen erstreckt. Dadurch, dass auch in diesem Bereich der Zaun nur 2,50 m hoch oder nur wenig höher war, konnte man von einem Zug aus, der sich auf dem Hauptgleis befand, über den Lagerzaun weg in das Lagerinnere schauen.

 

Der im nördlichen Teil des Lagers befindliche Wald war - jedenfalls zur Bahn hin - weniger stark mit Unterholz durchwachsen, so dass man von einem Weg aus, der sich dem Lager gegenüber an der östlichen Seite der Bahnlinie befand, in das Lager hineinschauen konnte. Der Bahndamm, der in diesem Bereich weniger als 1 m hoch ist, stellte kein Sichthindernis dar. Die Blickmöglichkeit ging jedoch nicht so weit, dass Einzelheiten des Lagers III von aussen zu erkennen gewesen wären. Nachdem in einer späteren Zeit des Lagerbestehens dazu übergegangen worden war, die Leichen zu verbrennen, war der Feuerschein vor allem nachts von dem erwähnten Weg wie auch von der näheren und weiteren Umgebung des Lagers aus zu sehen.

 

Das Lagergelände war in seinem südöstlichen Teil weitgehend eine freie Sandfläche, die vor Errichtung des Lagers im wesentlichen als Holzstapelplatz des benachbarten Sägewerks gedient hatte. Etwa am Ende der Rampe standen einige wenige Bäume, die durch den nahe vorbeiführenden Stacheldrahtzaun mit ins Lagerinnere einbezogen waren. In der Nähe der Holzkapelle befanden sich noch einige wenige Senken bzw. flache Gruben. Sie waren so nahe zum Lagerrand gelegen, dass man trotz der dort stehenden, zum Teil auch jüngeren Nadelbäume von aussen einen gewissen Einblick, insbesondere vom Bahndamm und dem dahinterliegendem Weg aus, hatte.

 

Zwei dicht nebeneinander liegende Tore ermöglichten den Zugang zum Lager. Eines war über das Abstellgleis hinweg errichtet, das andere über den schon beschriebenen Weg, wenige