Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.562

 

führten nicht zuletzt dazu, dass Himmler selbst sich an den Staatssekretär im Reichsverkehrsministerium, Dr.ing. Ganzenmüller, wandte, um für erneute und rasche Bereitstellung von Transportzügen zu sorgen. Von den mindestens etwa 40% der sich im Distrikt Lublin aufhaltenden polnisch-jüdischen Bevölkerung gelangten die meisten in Transporten in den Monaten Mai, Juni und Oktober, sowie November 1942 nach Sobibor, für die Zeit bis Frühjahr 1943 und danach sind nur noch einzelne Transporte dorthin festzustellen. Es handelt sich um mindestens 75.000, wahrscheinlich wesentlich mehr Menschen, die aus diesem Gebiet nach Sobibor deportiert worden sind.

 

Transporte mit deutschen Juden gelangten in mehreren Schüben in das Generalgouvernement. Über das Schicksal der etwa 110.000 Menschen aus dem Reichsgebiet und Österreich, die zwischen Mitte Oktober 1941 bis Mitte 1942 dorthin überstellt wurden, lässt sich wenig Genaues sagen. Fest steht allerdings, dass nur wenige am Leben geblieben sind und die meisten von ihnen in Belzec und Sobibor, zum kleineren Teil auch in Majdanek endeten. Exakte Berechnungsgrundlagen haben sich bislang aus vorliegenden Materialien nicht ergeben. Nach bisherigen Ergebnissen lässt sich jedoch mit Sicherheit feststellen, dass aus dem Reichsgebiet und Österreich bis Juni 1942 mindestens 10.000 Juden nach Sobibor kamen.

 

Von 13.000 Menschen, die im Zeitraum vom 11.März bis 13.Juni 1942 in 13 Transporten aus dem Ghetto Theresienstadt mit Juden aus dem Protektorat Böhmen und Mähren in den Lubliner Distrikt überstellt wurden, sind 42 Überlebende bekannt geworden. Das Schicksal aller anderen Menschen verliert sich im Dunkel von Belzec und Sobibor. Nach den wenigen vorhandenen Materialien ist nur mit Sicherheit feststellbar, das von diesen Transporten aus dem Protektorat Böhmen und Mähren von April bis zum 13.Juni 1942 mindestens 6.000 Menschen nach Sobibor kamen und dort getötet wurden.

 

Mit Sicherheit steht fest, dass von den 39.000 slowakischen Juden, die in den Lubliner Distrikt verschleppt wurden, über 24.000 in Sobibor getötet worden sind, und zwar bis Oktober 1942. Nach den Transportmitteilungen des Judenreferats bei dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Paris und vor allem nach den Abschublisten über die Evakuierung der Juden aus Frankreich für die Zeit von Ende April 1942 bis 30.Mai 1944 lassen sich 75 Transporte mit über 74.000 Menschen feststellen. Bis auf 2 Transporte vom 23. und 24.März 1943 finden alle anderen ihre Ankunftsbestätigung im "Kalendarium" von Auschwitz. Es steht fest, dass die beiden übrigen Transporte nach Sobibor gelangten. Somit sind zusammen mindestens 2.000 Menschen, die aus Frankreich kamen, in Sobibor getötet worden.

 

Von den annähernd 100.000 der Verfolgung zum Opfer gefallenen holländischen Juden wurden in der Zeit vom 15.Juli 1942 bis zum 3.September 1944 64 Transporte nach Auschwitz, 19 Transporte nach Sobibor, 7 nach Theresienstadt und 8 Transportzüge nach Bergen-Belsen geleitet. Das "Kalendarium" von Auschwitz vermerkt das Eintreffen von 55 Transporten mit etwa 50.000 Menschen. Nach Sobibor gelangten in der Zeit vom 5.März 1943 bis zum 23.Juli 1943 19 Transporte wechselnder Stärke mit insgesamt 34.300 Menschen. Nur 19 Überlebende sind dem Roten Kreuz bekannt geworden. Es wurde durch diese allerdings bekannt, dass eine (ganz geringe) Anzahl von Frauen und Männern bei der Ankunft in Sobibor sogleich abgesondert und entweder im Lager selbst zur Arbeit gezwungen oder sogleich in kleinere Arbeitslager deportiert wurden, wo sie den dortigen Vernichtungsmassnahmen zum Opfer fielen, einige wenige - die meisten der gesamten 19 Überlebenden - sind nacheinander in mehreren Arbeitslagern bzw. deren Aussenstellen gewesen. So hat auch der Nebenkläger Jules Sc. die Deportation überlebt.

 

Fest steht darüber hinaus, dass im September 1943 mehrere Transporte jüdischer Menschen - aufgrund der Erklärung des Angeklagten ist von sicher zwei Transporten auszugehen - aus Russland kommend nach Sobibor verbracht und diese mindestens 2.000 Menschen bis auf wenige vergast worden sind.