Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.560

 

Trawniki kamen, z.B. der frühere Mitangeklagte Lac. 317, dieser Sondergerichtsbarkeit und dem Militärstrafrecht unterstellt. Die übrigen von der "T4" abgestellten Leute, die nicht SS-Mitglieder waren, wurden zwar für den Einsatz in den Lagern der "Aktion Reinhard" in SS-Uniformen eingekleidet und erhielten SS-Dienstgrade, die den eventuell schon in anderen Formationen der Partei erworbenen Dienstgraden entsprachen, doch durften diese keine SS-Runen auf den Kragenspiegeln tragen. Diese Uniformierung fand statt, weil allgemein bestimmt war, dass alle in den besetzten Gebieten "eingesetzten" irgendeine Uniform - hier im Wirkungskreis der SS naturgemäss eine SS-Uniform - tragen mussten. Diese Leuten waren demnach nur Nenn-Dienstgrade der SS. Sie gehörten, analog dem sogenannten Wehrmachtsgefolge, dem ebenso genannten SS-Gefolge an, für das vom Hauptamt "SS-Gerichte" auf Befehl Himmlers am 29.Juli 1941 ein Erlass erging, dessen erster Absatz unter anderem bestimmte:

"Während des Krieges unterliegen den Bestimmungen über die SS- und Polizeigerichtsbarkeit, insbesondere den Kriegsgesetzen, alle Personen, die zur unmittelbaren Gefolgschaft einer Einheit oder Dienststelle der SS oder Polizei, für die Sondergerichtsbarkeit eingerichtet ist, gehören und für diese Tätigkeit Gebührnisse beziehen. Gleiches gilt im Operationsgebiet für alle Personen ...".

Hierdurch waren somit auch die von der "T4" kommenden, nicht zur SS oder Polizei gehörenden Männer bei der von der SS betriebenen "Aktion Reinhard" der oben genannten Sondergerichtsbarkeit unterstellt.

 

Es ist nicht sicher, inwieweit der Angeklagte Frenzel und die anderen hier in Betracht kommenden Befehlsempfänger über Umfang und Grenzen des Gehorsams nach §47 Abs.1 des damals geltenden Militärstrafgesetzbuches belehrt worden sind. Sicher ist nur, dass sie alle in Lublin durch führende Funktionäre aus dem Stabe Globocniks, namentlich durch den SS-Hauptsturmführer Höfle, besonders auf strenge Geheimhaltung verpflichtet worden sind. Die Verpflichtungserklärung, die, inhaltlich ähnlich, von den früheren "T4"-Leuten auch schon bei ihrer Dienstverpflichtung dorthin dementsprechend abgegeben worden war, beinhaltete die Belehrung, dass ihnen verboten war, Personen, die ausserhalb des Kreises der Mitarbeiter im "Einsatz Reinhard" stehen, irgendwelche Mitteilungen über den Verlauf, die Abwicklung oder die Vorkommnisse bei der Judenumsiedlung mündlich oder schriftlich zukommen zu lassen; darüber, dass die Vorgänge bei der Judenumsiedlung Gegenstand einer "Geheimen Reichssache" sind; über ein ausdrückliches Fotografierverbot in den Lagern des "Einsatzes Reinhard" usw. Die Verpflichtungserklärung endete damit, dass der Belehrte erklärte, er kenne die angeführten Bestimmungen und Gesetze und sei sich der Pflicht bewusst, die ihm aus der übertragenen Aufgabe erwachse.

 

2. Der Umfang der Tötungen im Lager Sobibor

 

Es ist davon auszugehen, dass zusammen mit den jeweils in einem Vernichtungslager eintreffenden Zugtransporten auch Transportpapiere mit überbracht wurden, denen sich entnehmen liess, wie stark der jeweilige Transport war. Das war schon deswegen erforderlich, weil gegenüber der Reichsbahn die Transportkosten genau abzurechnen waren. Es sind jedoch praktisch keine schriftlichen Unterlagen darüber erhalten geblieben, wie häufig und wie stark Zugtransporte nach Sobibor gelangt sind. Fest steht daher, dass sich nur noch Mindestzahlen darüber feststellen lassen, wieviel Menschen in Sobibor ermordet worden sind. In ähnlicher Form gilt das auch für die anderen Lager. Es kann jedoch mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass von den Transporten aus dem Distrikt Lublin etwa 40% nach Sobibor, knapp 40% nach Belzec, wahrscheinlich 14% nach Treblinka und etwa 7% nach Majdanek gingen. Weniger differenziert ist das Bild bezüglich des Distrikts Warschau-Land und

 

317 Siehe Lfd.Nr.642.