Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.557

 

Auschwitz enthalten sind, reglementiert. Nach diesen Vorschriften wurde in den Lagern während und nach den Vernichtungsaktionen die mitgebrachte Habe in einem besonderen Teil des Lagers sortiert, grob bearbeitet und in die Zentrale nach Lublin versandt. Es lässt sich nicht feststellen, welchen Anteil des schliesslich erzielten Gewinns der "Aktion Reinhard" in Polen das Vernichtungslager Sobibor beigesteuert hat. Sicher ist nur, dass es in einem umfangreichen "Bericht über die verwaltungsmässige Abwicklung der Aktion Reinhard", der einem Schreiben Globocniks vom 5.Januar 1944 an Himmler beigefügt war, zur Gesamtausbeute in der "Aktion Reinhard" heisst:

"... Der Gesamtwert der angefallenen Gegenstände ist laut beiliegender Aufstellung ungefähr 180.000.000 Reichsmark. Hierbei sind jedoch Mindestwerte angenommen, so dass der Gesamtwert wahrscheinlich das Doppelte beträgt, abgesehen des Wertes der vereinbarten Gegenstände, in denen Mangellage herrscht, wie Textilien, wovon allein über 1.900 Waggons der deutschen Industrie zugeführt wurden."

 

Einen nicht unbeträchtlichen Anteil der vorgenannten Werte erzielten die Verantwortlichen der "Aktion Reinhard" dadurch, dass den Leichen der vergasten Menschen unter anderem Goldzähne herausgebrochen, die Körperöffnungen auf versteckte Wertsachen untersucht wurden. Insbesondere den Frauen wurde ab Frühjahr 1943 das Haupthaar abgeschnitten, bevor sie in die Gaskammern geschickt wurden. Der eigentliche Anlass hierfür dürfte zwar gewesen sein, den durch die Verbrennung entstehenden entsetzlichen Gestank, der über den Vernichtungslagern lag, weniger stark ausgeprägt entstehen zu lassen, die gewonnenen Haare wurden jedoch auch wirtschaftlicher Nutzung zugeführt, nämlich in Säcke verpackt und der deutschen Industrie zum Zwecke des Herstellens von Filzeinlagen für Stiefel zur Verfügung gestellt. Auch hierüber liegen genaue Werterfassungen nicht im einzelnen vor. Die Beispiele belegen jedoch, dass die Wertschöpfung ohne jeden Anflug einer Rücksichtsnahme durchgeführt wurde.

 

Globocnik waren die drei bereits genannten Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka unterstellt, von denen allerdings das letztere nicht mehr im Distrikt Lublin, sondern im Distrikt Warschau lag, gleichwohl aber Globocnik und nicht dem SS- und Polizeiführer im Distrikt Warschau unterstand. In der Dienststelle Globocniks war dessen Stabsführer, der Hauptsturmführer und späterer Sturmbannführer Hermann Höfle für die Durchführung der ganzen Aktion verantwortlich. Er war zugleich Chef des sogenannten Umsiedlungsstabes. Ihm wiederum war der kurze Zeit nach Beginn der Aktion zum Inspekteur aller drei Lager ernannte Kriminalrat und SS-Obersturmführer, später SS-Sturmbannführer, Christian Wirth, nachgeordnet. Dieser war vor seiner Ernennung zum Inspekteur zunächst Kommandant des Lagers Belzec gewesen. Wie auch andere führende Männer des Lagerpersonals der "Aktion Reinhard" war er aus der Kriminalpolizei hervorgegangen und war in der Euthanasie-Anstalt Hartheim unter anderem Büroleiter gewesen; auch Stangl 314, der erste Leiter des Lagers Sobibor, war dort gewesen.

 

Der Beginn der "Endlösung" und die Beendigung der "Euthanasie-Aktion" fielen in der zweiten Jahreshälfte 1941 zeitlich in etwa zusammen. Das nicht mehr benötigte Personal der Euthanasie-Anstalten, an der Spitze zum Teil aus Angehörigen der Kriminalpolizei bestehend, im übrigen teils aus ehemaligen Krankenpflegern und notdienstverpflichteten Angehörigen verschiedener handwerklicher Berufe zusammengesetzt, war bereits bei einer geheim durchgeführten Tötungsaktion grossen Stils erprobt ("Euthanasie-Aktion") und an systematische Massentötungen gewöhnt. Dieses Personal erschien der Führung daher besonders geeignet, bei Durchführung der "Endlösung" verwendet zu werden. Die Kanzlei des Führers

 

314 Siehe Lfd.Nr.746.