Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.556

 

Auch im Konzentrationslager Auschwitz, das in der ganzen Zeit seines Bestehens zugleich ein "normales" KZ war, wurden die Menschen durch Arbeit ausgebeutet und vernichtet. Daneben bestand das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Es lag in dem zu Oberschlesien geschlagenen polnischen Gebiet und hatte neben den drei Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka den zahlenmässig grössten Anteil an der in Polen durchgeführten Massentötung der polnischen Juden und der aus dem übrigen Machtbereich Hitlers nach Polen deportierten Juden. Neben den vorstehend erwähnten Lagern, die der Massenvernichtung dienten, bestand im Warthegau noch das Gaswagenlager Chelmno. Nachdem nämlich aufgrund der Entscheidung Hitlers, dass die Deportation der deutschen Juden einzusetzen habe, der Warthegau in die Suche nach den Deportationsorten mit einbezogen worden war, waren die ersten Transporte dorthin gegangen, und zwar nach Lodz. Innerhalb weniger Monate wurde das Gaswagenlager Chelmno aufgebaut, das mit Methoden, die der "Euthanasie" angelehnt wurden, mit Mannschaften, die auch teilweise in der Euthanasie im Warthegau bereits tätig gewesen waren, arbeitete, nur dass man hier Motorabgase verwandte, die in das Innere der geschlossenen Lastwagen während der Fahrt eingeleitet wurde, in die man zuvor jüdische Menschen hineingezwängt hatte, ihnen zumeist vorspiegelnd, sie würden zu Arbeitslagern gebracht.

 

Die grausamen und auffälligen Liquidierungen von jüdischen Menschen im Generalgouvernement und in Russland durch bewegliche Einsatzgruppen hatten der Reichsführung, vor allem der SS-Führung, die Erfahrung vermittelt, dass von Seiten der Wehrmachtsdienststellen Erschwernisse bis zur völligen Verhinderung der Massnahmen drohen konnten. So hatte Generaloberst Blaskowitz als "Oberkommandierender Ost" während der Aktionen der Einsatzgruppen in Polen Material sammeln lassen, das die SS schwer belastete, und in Berichten dem Oberkommandierenden der Wehrmacht vorgelegt, mit dem Erfolg, dass er die Wehrmacht gegen die SS-Verbände aufbrachte und Himmler zwang, von weiterer Tätigkeit seiner Einsatzgruppen in Polen Abstand zu nehmen. Blaskowitz wurde zwar auf Betreiben der SS seines Amtes enthoben, die Weichen waren aber gestellt für weniger auffällige Tötungsmethoden.

 

Nach dem Willen Hitlers und Himmlers sollte die Judenvernichtung in festen Todeslagern erfolgen. Die Kapazitäten von Auschwitz-Birkenau und Chelmno reichten dafür nicht aus, weshalb die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka errichtet wurden.

 

In den Bereich des Generalgouvernements führten die Deportationen der Juden aus dem Grossdeutschen Reich, beginnend Oktober 1941, aus der Slowakei ab 26.März 1942, erste Transporte aus Frankreich im März 1942, der generelle Beginn der Deportationen aus Frankreich im Sommer 1942, aus den Niederlanden ab 15.Juli 1942, aus Belgien ab 4.August 1942, aus Kroatien ab 18.August 1942, aus Griechenland ab 20.März 1943, aus Bulgarien ab 22.März 1943, aus Italien ab 23.Oktober 1943 und aus Ungarn ab 17.Mai 1944.

 

Von diesen ins Generalgouvernement geschleusten Menschen fielen mindestens 1,5 Millionen, wahrscheinlich bis zu 1,7 Millionen, den in den drei Vernichtungslagern der "Aktion Reinhard" durchgeführten Massentötungen zum Opfer, einschliesslich der polnischen Juden.

Getötet wurden die Menschen, dem Willen der nationalsozialistischen Führung entsprechend, nach der Methode, die in den Grundzügen bei der Durchführung der "Euthanasie-Aktion" erfolgreich erprobt worden war, nämlich durch Erstickung in festen Gaskammern. Globocnik übernahm anordnungsgemäss diese Methode zur massenhaften Tötung der Juden für die ihm unterstehenden geschlossenen Lager, die aufgrund des Endlösungsbefehls errichtet wurden.

 

Wie bereits erwähnt, fand die Ausbeutung der jüdischen Arbeitskraft im wesentlichen in anderen Lagern als den drei Vernichtungslagern statt. Wohl aber wurden die Habseligkeiten der getöteten Juden auch in diesen Lagern erfasst, wurden nach detaillierten Richtlinien, wie sie etwa in einem Schreiben vom 26.September 1942 an die Verwaltungsstellen in Lublin und