Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.547

 

der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens im Fall 32 308 jedoch als unbegründet verworfen worden war - vgl. zu Einzelheiten nachstehend I.2. -, wurde die Strafhaft in der Zeit vom 5.Mai 1980 bis zum 1.September 1981 erneut vollstreckt. Sodann wurde die Strafhaft im Gnadenwege unterbrochen, schliesslich durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 28.Oktober 1982 - 61 StVK 398/82 - zur Bewährung ausgesetzt.

 

Nach seiner Entlassung zum Jahresende 1976 war der Angeklagte nicht mehr berufstätig, sondern bezog Rente. Diese belief sich Ende 1982 auf 1.180,- DM monatlich.

 

Der politische Werdegang des Angeklagten ist dadurch gekennzeichnet, dass er zunächst unter dem Einfluss seines Vaters stand, der als Sozialdemokrat Kreistagsabgeordneter war. Wie dieser will auch Frenzel zunächst in einer Gewerkschaft organisiert gewesen sein. Seine Einstellung änderte sich jedoch 1929/1930. Nachdem er in der Zeit der Arbeitslosigkeit 1930 an einer Demonstration teilgenommen hatte, im Verlaufe derer es zu Verhaftungen gekommen war, hatte er sich 6 Wochen in Haft befunden, bis er aufgrund einer Amnestie entlassen wurde. Zu einem Prozess war es nicht mehr gekommen. Ihn hatte beeindruckt, dass in der Zeit seiner Verhaftung sich lediglich jemand von der NSDAP um ihn gekümmert und ihm Hilfe für den bevorstehenden Prozess angeboten hatte.

 

Auch sein älterer Bruder, der in Berlin evangelische Theologie studierte, jedoch überzeugter Nationalsozialist war, beeinflusste ihn im Sinne dieser Ideologie, und so schloss sich Frenzel nach seiner Haftentlassung, und zwar im August 1930, der NSDAP an (Mitgliedsnummer 334948) und trat auch in die SA ein. Auch sein Vater trat 1933/1934 der NSDAP bei. Frenzel nahm, seinen Angaben zufolge, dreimal an SA-Führungsschulungen teil. In der sogenannten "Reichskristallnacht" will er zwar Alarmbereitschaft gehabt haben; in seinem Ort sei an dem Abend aber nichts passiert.

 

2. Der rechtskräftig gebliebene Verurteilungsfall

 

Wie bereits dargestellt befand sich der Angeklagte im Verfahren 45 Js 27/61 StA Dortmund (Zentralstelle) seit dem 22.März 1962 in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen richteten sich gegen ihn und eine weitere Anzahl ehemaliger Angehöriger der Wachmannschaft des Vernichtungslagers Sobibor. Schliesslich wurde gegen ihn und weitere 11 Beschuldigte Anklage erhoben (11 Ks 1/64 StA Hagen). In dieser Anklageschrift und dem hierzu ergangenen Eröffnungsbeschluss wurde dem Angeklagten Frenzel ausser der allgemeinen Beteiligung am Vernichtungsbetrieb (Fall 13) eine Vielzahl von Einzeltötungen zur Last gelegt. Aufgrund der Hauptverhandlung vom 6.September 1965 bis zum 20.Dezember 1966 wurde der Angeklagte Frenzel, unter Freisprechung im übrigen, wegen gemeinschaftlichen Mordes an einer unbestimmten Vielzahl, mindestens an 150.000 Menschen, und wegen Mordes an weiteren 9 Menschen (6 Einzelfälle) zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt 309. Seine Revision wurde durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.März 1971, 4 StR 47-48/69, verworfen unter Berichtigung des Strafausspruchs auf lebenslange Freiheitsstrafe 310.

 

Während der damaligen Hauptverhandlung waren die meisten, nämlich 23 Einzelfälle gemäss §154 Abs.2 StPO eingestellt worden. In 10 weiteren Einzelfällen hatte das Schwurgericht den

 

308 Siehe auch Bd.XXV S.135 ff.

309 Siehe Lfd.Nr.642a.

310 Siehe Lfd.Nr.642b.