Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.545

 

und Dias über Krankenanstalten und deren Insassen - körperlich und geistig Behinderte - vorgeführt. Es wurde erläutert, welcher Aufwand an Pflege und Geld hierfür erforderlich sei und welchem Zweck die sogenannte "Euthanasie-Aktion" diene. Im Anschluss an die Vorführung oder auch zuvor wurden sie zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sodann konnten sie an ihre Heimatorte zurückreisen. In den ersten Januartagen erhielt Frenzel Nachricht, er solle sich erneut im Columbus-Haus einfinden. Dort waren dann noch etwa 12 Mann wieder eingefordert worden. Sie wurden auf verschiedene Anstalten eingeteilt. Es wurde ihnen erklärt, wegen des Krieges und um Geld zu sparen müssten die Krankenanstalten von unheilbar geisteskranken und körperlich missgebildeten Menschen leer gemacht werden.

 

Von diesem Tage an gehörte er der sogenannten Organisation "T4" an, genannt nach dem Sitz dieser Organisation in der "Kanzlei des Führers" in Berlin, Tiergartenstrasse 4. Die Organisation hiess nach aussen "Gemeinnützige Stiftung für Anstaltspflege". Er kam zunächst nach Grafeneck, war dort in der Waschküche eingesetzt und später als Wachmann für die Bewachung des Geländes. Im April oder Mai 1940 ging ihm ein Einberufungsbefehl zur Wehrmacht zu. Daraufhin will er mit seinem Vorgesetzten "Ärger bekommen" haben, weil er dort nicht mitgeteilt hatte, dass er noch seinen Antrag auf Einberufung zur Wehrmacht hatte weiterlaufen lassen. Er wurde nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass er zur Verschwiegenheit verpflichtet sei und welche Folgen deren Verletzung haben könne; es handele sich schliesslich um eine geheime Sache oder geheime Reichssache.

 

Ende 1940 kam er nach Hadamar, wo er für Bautätigkeiten eingesetzt wurde: Die Krankenanstalt wurde so umgebaut, dass dort die Tötung von Menschen in Gaskammern durchgeführt werden konnte. Vor seinem Überwechseln nach Hadamar war er möglicherweise kurzfristig in der Euthanasieanstalt Bernburg. In Hadamar sollte er als "Brenner" eingesetzt werden ("Desinfektor"). Hadamar wurde als "KZ" bezeichnet. Die Tätigkeit behagte ihm nicht, er versuchte auch nochmals seinen Bruder einzuschalten, der damals bereits Offizier bei der Wehrmacht war, um wegzukommen; das nutzte jedoch nichts, weil er "u.k.-gestellt" war. In Hadamar freundete er sich mit einem Mädchen an, um so in seiner Freizeit zu einem "Tapetenwechsel" zu kommen; er will sich jedenfalls von den bei der Tötung eingesetzten Pflegern abgesondert haben.

 

Im Oktober/November 1941 kam er nach Bernburg. Jetzt ging es darum, den Abriss der Vernichtungseinrichtungen durchzuführen und die Krankenanstalten wieder so herzustellen, wie sie vor ihrem Umbau gewesen waren. Ihm war damals durch "Flüsterpropaganda" bekannt geworden, dass in der Öffentlichkeit sich erheblicher Widerstand gegen die Vernichtungsaktion gerichtet hatte. Nach Durchführung der Umbauarbeiten wurde er Anfang April 1942 nach Berlin zurückbeordert, wo er viele seiner Kameraden aus den verschiedenen Euthanasie-Anstalten wiedertraf. Den Wintereinsatz der Aktion "T4" (Verwundetentransporte im Osten) hatte er nicht mitgemacht.

 

Im Rahmen seiner Tätigkeit in den verschiedenen Euthanasie-Anstalten erfuhr er, wie die Menschen auf ärztliche Anordnung in den Gaskammern ums Leben kamen. Er hatte gesehen, wie vor den Gaskammern, die wie Duschräume eingerichtet worden waren, die zu Tötenden nach Geschlechtern sortiert wurden. Aussen an den Vergasungsräumen befanden sich Gasflaschen. In jedem Raum wurden 20 bis 25 Menschen eingeschlossen und vergast. Der Angeklagte arbeitete zumeist als Handwerker, in Hadamar längere Zeit aber auch als "Desinfektor" bzw. als "Brenner". In dieser Eigenschaft hatte er in Hadamar die Leichen aus den Gaskammern zu holen, die anschliessend zu je dreien in Öfen verbrannt wurden.

 

Die Einberufung zur Wehrmacht im Frühjahr 1940 hatte sich so erledigt, dass er weiter als dienstverpflichtet für Sonderaufgaben galt. Als Disziplinarvorgesetzten hatte er damals mit dem Chef der für die "Aktion T4" zuständigen Abteilung II der Kanzlei des Führers, dem SS-Oberführer Brack und dessen Vertreter SA-Oberführer Blankenburg sowie mit dem Oberregierungsrat