Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLVI

Verfahren Nr.892 - 897 (1984 - 1985)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.897 LG Hagen 04.10.1985 JuNSV Bd.XLVI S.543

 

Lfd.Nr.897    LG Hagen    04.10.1985    JuNSV Bd.XLVI S.544

 

GRÜNDE

 

I. « Die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten; Verfahrensgeschichte »

 

1. Der persönliche Werdegang des Angeklagten

 

Der mittlerweile 74jährige Angeklagte wurde am 20.August 1911 in Zehdenick/Havel (Brandenburg) geboren. Der Vater des Angeklagten, der Reichsbahnstellwerkmeister Otto Frenzel, verstarb 1955, seine Mutter, Minna Frenzel, geborene Ber., verstarb 1954. Er hatte drei Geschwister, von denen ein älterer und ein jüngerer Bruder im Krieg gefallen sind; mit seiner Schwester, die in der Deutschen Demokratischen Republik lebt, hat er schriftlichen Kontakt.

 

Seine Kindheit verbrachte Karl Frenzel in Grüneberg, Kreis Ruppin, wohin sein Vater versetzt worden war. Er wurde von dort aus 1918 in Oranienburg eingeschult; die dortige Volksschule besuchte er, der den Weg dorthin täglich fuhr, bis 1926. Nach Abschluss der Volksschule erlernte er von 1927 bis 1930 in Zehdenick den Beruf eines Zimmermannes; die 19 km lange Fahrstrecke legte er wiederum täglich zurück. Am 15.Juni 1930 bestand er die Gesellenprüfung, das Arbeitsverhältnis endete am 1.Juli 1930. Er war zunächst arbeitslos. Schliesslich nahm er unterschiedliche Hilfsarbeiten an und war ab Oktober/November 1930 bis Mai/Juni 1933 in einer Grossfleischerei in Oranienburg beschäftigt; soweit er bei der Auslieferung von Waren beteiligt war, fuhr er als Beifahrer mit; einen Führerschein hat er nicht gemacht. Bis zum Beginn der Tätigkeit in der Fleischerei hatte er zur Erntezeit in der Landwirtschaft gearbeitet.

 

Der Angeklagte war am 1.August 1930 Mitglied der NSDAP und SA geworden, ohne besondere Aktivitäten in diesen Organisationen zu entfalten. Ab Sommer 1933 war er ein Vierteljahr lang im Kreis Ruppin als Hilfspolizist in SA-Uniform tätig. Sodann bekam er Arbeit in der Grüneberger Metallwarenfabrik, die seinerzeit Munitionsfabrik geworden war. Dort war er als Betriebszimmermann tätig. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur SA und NSDAP erhielt er sodann die Hausmeisterstelle in der Verwaltung des Schlosses Löwenberg/Mark, eines Landjahrheimes. Im Oktober 1934 hatte der Angeklagte Sophia Aum. geheiratet. Aus dieser Ehe gingen bis zum Jahre 1940 fünf Kinder hervor, die sämtlich noch leben. In der Verwaltung des Schlosses Löwenberg/Mark wurde seine Ehefrau als Buchhalterin tätig. Frenzel blieb dort bis August 1939 angestellt.

 

Am 27.August 1939 wurde er zu dem Baubataillon 211 (oder 204), einer Einheit des Reichsarbeitsdienstes, die der Wehrmacht unterstellt war, eingezogen. Am 1.September 1939 wurde die Einheit an die polnische Grenze verlegt. An einigen Tagen bekam sie auch Frontberührung, in Kämpfe wurde sie jedoch nicht einbezogen. Ihre Aufgabe war es, polnische Befestigungsanlagen abzubauen und für die Weiterverwendung an anderen Orten aufzuarbeiten. Weihnachten 1939 wurde er als kinderreicher Familienvater entlassen. Frenzel, der zuletzt SA-Obertruppführer gewesen war, fühlte sich hierdurch gegenüber seinen Brüdern und seinen SA-Kameraden zurückgesetzt. Er meldete sich daher erneut freiwillig, hierzu schaltete er auch seine SA-Standarte ein. Dieser Antrag war im Januar 1940 noch nicht beschieden worden.

 

An jenem Tag, als der Angeklagte von der SA-Standarte nach Hause zurückgekehrt war, lag dort bereits eine Nachricht vor, er solle sich nochmals bei der Standarte melden. Er erfuhr dort am nächsten Tag, dass er nach Berlin, zum Columbus-Haus fahren solle. Nähere Einzelheiten wurden ihm zunächst nicht mitgeteilt. Noch im Dezember 1939 fuhr er nach Berlin. Er hatte zwar die Vorstellung, dass er dort nicht als Soldat eingesetzt würde, über die Aufgabenstellung war ihm jedoch nichts bekannt. Mit ihm trafen dort etwa 30 Mann ein. Sie wurden auf "Herz und Nieren geprüft", d.h. anhand ihrer vorzulegenden Unterlagen wurde festgestellt, ob sie zuverlässige Parteigenossen seien. Im Columbus-Haus wurden ihnen Filme