Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVII

Verfahren Nr.500 - 522 (1960 - 1961)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.511b BGH 22.05.1962 JuNSV Bd.XVII S.491

 

Lfd.Nr.511b    BGH    22.05.1962    JuNSV Bd.XVII S.492

 

zwanzig Jahren, wenn sie im Höchstbetrage mit einer Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren bedroht sind, in fünfzehn Jahren verjährt. Das Schwurgericht ist ohne Rechtsirrtum zu der Auffassung gelangt, dass hier die zwanzigjährige Frist gilt.

Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob es für die Anwendung des §67 StGB schlechthin auf die Rechtslage zur Zeit der Urteilsfindung ankommt, oder, soweit es sich um die angedrohte Höchststrafe handelt, jedenfalls dann das Recht der Tatzeit entscheidet, wenn dies den Angeklagten günstiger ist (vgl. hierzu BGHSt. 2, 300, 305 ff.; 1 StR 769/52 vom 30.Juni 1953 = LM Nr.4 zu StGB §2a; 3 StR 49/54 vom 1.April 1954, mitgeteilt bei Dallinger MDR 1954, 335). Die Beihilfe zum Mord ist nicht nur nach dem heute geltenden Gesetz (§§49, 44, 211 StGB n.F.) mit lebenslangem Zuchthaus als Höchststrafe bedroht, sie konnte schon zur Tatzeit mit lebenslangem Zuchthaus, ja sogar mit dem Tode bestraft werden.

Es ist zwar richtig, dass nach den §§49, 44, 211 a.F. in Verbindung mit §14 StGB die Höchststrafe für Beihilfe zum Mord 15 Jahre Zuchthaus betrug und dass der Wortlaut der §§44, 49 StGB a.F. ausdrücklich erst durch Art.1 und 2 der Durchführungsverordnung vom 29.Mai 1943 (RGBl. I, 341), also erst nach den hier in Rede stehenden Taten geändert worden ist. Der Gesetzgeber hatte aber schon vorher in §4 der Verordnung gegen Gewaltverbrecher vom 5.Dezember 1939 (RGBl. I, 2378) bestimmt, dass für die Beihilfe allgemein diejenige Strafe zulässig war, die das Gesetz für die vollendete Tat vorsah. Dies war für die Beihilfe zum Mord die Todesstrafe. Das galt, wie das Wort "allgemein" beweist, nicht nur für Gewaltverbrechen, sondern für den gesamten Bereich des Strafrechts. Durch die Durchführungsverordnung vom 29.Mai 1943 wurde daher nur klargestellt, was auf Grund der Verordnung vom 5.Dezember 1939 bereits Recht war (vgl. RGSt. 75, 52, 54; Rietzsch in Deutsche Justiz 1943, 309, 310; die Entscheidung BGHSt. 1, 156, 157 ergibt nichts Gegenteiliges).

 

An dieser rechtlichen Beurteilung ändert nichts, dass die Angeklagten die Taten in Litauen verübt haben und dass das Vorwort der Verordnung vom 5.Dezember 1939 lautet: "Der Ministerrat für die Reichsverteidigung verordnet für das Gebiet des Grossdeutschen Reiches mit Gesetzeskraft: ..."

Litauen gehörte zwar nicht zum "Gebiet des Grossdeutschen Reiches". Hierauf kommt es aber nicht an. Selbst wenn man aus dem mitgeteilten Vorwort folgern will, dass die Verordnung zunächst nur für Straftaten galt, die im "Gebiet des Grossdeutschen Reiches" verübt wurden, war die Rechtslage jedenfalls durch die Verordnung über den Geltungsbereich des Strafrechts vom 6.Mai 1940 (RGBl. I, 754) geändert worden. Nach §3 dieser Verordnung galt zur Tatzeit das deutsche Strafrecht für die Tat eines deutschen Staatsangehörigen, einerlei, ob er sie im Inland oder Ausland beging.

Dass die "Allgemeine Anweisung für Richter Nr.1" Nr.8b nicht mehr angewendet werden kann, hat das Schwurgericht zutreffend dargelegt (vgl. hierzu BGHSt. 1, 59; 1, 156, 157).

Der Senat braucht hiernach nicht zu entscheiden, ob das Schwurgericht auch zu Recht angenommen hat, dass die Verjährung bis zum 8.Mai 1945 ruhte. Selbst wenn man der Auffassung ist, dass die Verjährungsfrist bereits am 22.Juni 1941 zu laufen begonnen hat, ist die Strafverfolgung nicht verjährt (das Urteil des Schwurgerichts ist am 29.Mai 1961 ergangen).

 

II.

 

Die Revision der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Angeklagten Dr. Scheu und Struve führen zur Aufhebung des Urteils, soweit es diese beiden Angeklagten betrifft.

 

1. Die auf den genannten Teil des Urteils beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft rügt Verletzung des sachlichen Strafrechts. Das Rechtsmittel hat aus folgenden Gründen Erfolg:

 

a. Zu durchgreifenden rechtlichen Bedenken gibt schon die Auffassung des Schwurgerichts Anlass, dass das gesamte Verhalten eines jeden Angeklagten als eine im natürlichen Sinne einheitliche Handlung anzusehen sei und daher gleichartige Tateinheit vorliege (vgl. unter X.3.g des LG-Urteils). Die Angeklagten Dr. Scheu und Struve haben nach den Feststellungen des Urteils nicht nur die Erschiessungsaktion, bei der mindestens