Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXVI

Verfahren Nr.758 - 767 (1971 - 1972)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.758 LG Kiel 02.08.1971 JuNSV Bd.XXXVI S.5

 

Lfd.Nr.758    LG Kiel    02.08.1971    JuNSV Bd.XXXVI S.48

 

leichthin auf 10 Mann schätzte, wurde die Kommandostärke von dem Zuchthausleiter Kno. mit 30 Mann und von dem Aufsichtsbeamten Fie. mit 30-40 Mann angegeben. Die Einlassung Nic.s wird gestützt durch die Aussagen der Zeugen Wob., der das Kommando mit 20 Mann angibt und Arn. sen., der die Kommandostärke mit 17 Mann angibt. Alle diese Angaben beruhten nur auf Schätzungen. Das Gericht geht davon aus, dass der Einlassung Nic.s insoweit gefolgt werden kann. Es konnte ebenfalls nicht festgestellt werden, wer das SS-Kommando bei der Stapostelle in Frankfurt/Oder zusammengestellt hatte. Die Einlassungen beider Angeklagten hierzu, an der Auswahl nicht beteiligt gewesen zu sein und auch nicht zu wissen, wer hieran beteiligt gewesen ist, sind unglaubwürdig. Wenn man dem Angeklagten Ric. glauben wollte, nicht er selbst habe die Auswahl der Leute angeordnet, sondern seinem Untergebenen Nic. überlassen, so muss er als Verantwortlicher für die Durchführung des Befehls diese Auswahl zumindestens mit Nic. näher erörtert haben. Ric. will hierüber jedoch kein Gespräch geführt haben. Die Unglaubwürdigkeit Ric.s geht auch daraus hervor, dass die Durchführung des Tötungsbefehls bereits nach seiner eigenen Einlassung eine viel zu bedeutende Angelegenheit war, um nicht selbst als Dienststellenleiter Einfluss auf die Zusammensetzung des Kommandos zu nehmen.

 

Aber auch die Einlassung Nic.s, nicht zu wissen, wer das Kommando zusammengestellt hat, ist nicht glaubhaft. Sein Hinweis, selbst zur Auswahl von Leuten nicht in der Lage gewesen zu sein, trifft nicht zu. Selbst wenn er erst kurze Zeit auf dieser Dienststelle Dienst tat, war er aufgrund seines Dienstranges und der hinter seinen Anordnungen stehenden Autorität des Dienststellenleiters sehr wohl in der Lage, sich die geeigneten Leute auszusuchen. Weitere Erkenntnismittel zu der Frage, wer das Kommando zusammengestellt hat, waren nicht vorhanden, so dass sie im Ergebnis offen bleiben musste.

 

Die Einlassung Ric.s, er habe Nic. mit der Durchführung des gesamten Kommandos beauftragt, ist glaubhaft. Hierzu steht die Einlassung Nic.s im Widerspruch, dass eine Aufgabenteilung durch Ric. vorgenommen worden sein soll, nach der Nic. nur für den Hin- und Rücktransport verantwortlich gewesen sein will, während ein Untersturmführer für die Exekution verantwortlich gewesen sein soll. Dieser Einlassung steht bereits das spätere Verhalten Nic.s in der Anstalt entgegen. Nach den Aussagen des Zeugen und früheren Beschuldigten Kno. hat dieser jeweils nur mit Nic. verhandelt. Zu einer Verhandlung mit Kno. wäre kein Anlass gewesen, wenn Nic. nur die Verantwortung für die Hin- und Rückfahrt gehabt hätte. An der Aussage Kno. hat sich insoweit kein Anlass zu einem Zweifel ergeben. Kno. hatte selbst als Beschuldigter keinen Grund, der Wahrheit zuwider nur Nic. anstatt ihn und einen weiteren SS-Mann der Leitung des Unternehmens zu bezichtigen. Aber auch der Umstand, dass Nic. als Obersturmführer der rangmässig höchste SS-Führer bei dem Kommando war, steht seiner Einlassung entgegen. Es widerspricht der Regel, wenn nicht dem Ranghöchsten das Kommando übertragen wird. Für Ric. ist kein Anlass ersichtlich, gerade Nic. zu belasten, wenn die Verantwortung für die Exekution bei einem anderen Offizier gelegen hätte. Ric. gibt glaubhaft an, von einem Untersturmführer als Verantwortlichen für die Exekution hier das erste Mal gehört zu haben. Hiernach hat das Gericht festgestellt, dass Ric. den Angeklagten Nic. mit der gesamten Durchführung der Aktion beauftragt hat. Hierzu steht nicht im Widerspruch, dass Nic. möglicherweise von sich aus während der Aktion oder vorher, sogar mit Ric.s Kenntnis, eine weitere Aufgabenteilung dergestalt vorgenommen hat, dass er einen SS-Führer seines Kommandos als Verantwortlichen für die Durchführung der Erschiessung bestimmte. Für eine solche Anordnung waren zwar keine konkreten Hinweise erkennbar. Die Möglichkeit musste aber in Betracht gezogen werden. Dennoch wäre Nic. seinem Vorgesetzten gegenüber für die Gesamtdurchführung verantwortlich gewesen.

 

Die weitere Einlassung Nic.s, ein zweites Kommando sei direkt von Berlin aus nach Sonnenburg in Marsch gesetzt worden, ist durch keine weiteren Beweismittel bestätigt worden. Nic. meint auch nur, dass dies in dem Fernschreiben zum Ausdruck gekommen sei, während Ric. dieser Aussage entgegen tritt. Diese Vermutung Nic.s ist nicht glaubhaft. Wenn ein Kommando