Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVII

Verfahren Nr.500 - 522 (1960 - 1961)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.511a LG Aurich 29.05.1961 JuNSV Bd.XVII S.421

 

Lfd.Nr.511a    LG Aurich    29.05.1961    JuNSV Bd.XVII S.457

 

sich um einen Fehlgriff der Gestapo; zu solchen Massnahmen dürften Männer der allgemeinen SS nicht eingesetzt werden.

 

c. Der Angeklagte Schmidt habe sich zu der Frage, wie er zu seiner Tatbeteiligung gekommen sei, nach mehrfach wechselnden Einlassungen schliesslich folgendermassen geäussert:

Er habe entweder auf der Postenführerbesprechung am 21.Juni 1941 in Tilsit oder in den nächsten Tagen von anderer Seite erfahren, dass alle Juden und alle potentiellen Gegner des Dritten Reiches erschossen werden sollten. Am Mittag des 22.Juni 1941 seien Feldjäger zu ihm nach Kolleschen gekommen; sie hätten berichtet, dass in Naumiestis die gesamte männliche Bevölkerung zusammengetrieben worden sei und einen Dolmetscher gesucht. Darauf sei er mit dem Gendarmeriemeister Brusdeilins, der litauisch sprach, nach Naumiestis gegangen. Die Litauer hätten auf einige Leute gezeigt, die sich während der russischen Besatzung prosowjetisch verhalten hätten. Er, Schmidt, habe diese Leute nach Heydekrug ins Amtsgerichtsgefängnis gebracht. In den folgenden Tagen habe er gemeinsam mit dem Kriminalobersekretär Ba. in Naumiestis Ermittlungen geführt. Hierdurch sei er mit dem Chef der neugebildeten litauischen Polizei in Naumiestis bekannt geworden. Beim zweiten oder dritten Besuch habe ihm der Polizeichef erklärt, die Litauer beabsichtigten, die jüdische Bevölkerung zu vernichten, und ihn gefragt, ob deutscherseits dagegen Bedenken bestünden. Darauf habe er, Schmidt, erwidert, er wolle sich deswegen an seine vorgesetzte Dienststelle wenden. Er habe auch einen entsprechenden Bericht an die Stapostelle Tilsit geschrieben. Noch an demselben oder am nächsten Tage sei der kommissarische Landrat Schm. bei ihm in Kolleschen erschienen. Dieser habe sich als V-Mann des SD zu erkennen gegeben und gefragt, ob ihm (dem Angeklagten Schmidt) bekannt sei, dass die Litauer Juden erschiessen wollten. Darauf habe er dem Landrat von seinem Gespräch mit dem litauischen Polizeichef und von seiner Meldung an die Stapostelle Tilsit erzählt. Der Landrat habe dazu bemerkt, er suche Arbeitskräfte; wenn eine Erschiessung stattfinde, möge er, (der Angeklagte Schmidt) ihn benachrichtigen.

Am Anfang der zweiten Woche nach Beginn des Russlandfeldzuges sei er, der Angeklagte Schmidt, in das Stalag Heydekrug-Matzicken abkommandiert worden. Er habe aber seine Wohnung in Kolleschen beibehalten und sei täglich nach Dienstschluss dorthin zurückgekehrt. Am Dienstag oder Mittwoch dieser Woche sei er noch einmal nach Naumiestis gegangen, um sich über die Angelegenheit zu unterrichten. Dort habe er von dem litauischen Polizeichef erfahren, dass vier Gestapo- oder SD-Männer in Naumiestis gewesen seien und schon alles besprochen hätten; die Erschiessungen würden am kommenden Freitag oder Sonnabend stattfinden; der Platz sei schon bestimmt und die Grube schon ausgehoben worden. Daraufhin habe er am folgenden Tage den kommissarischen Landrat Schm. in seiner Dienststelle in Heydekrug aufgesucht und ihm die weitere Entwicklung mitgeteilt. Der Landrat habe ihm gesagt, er solle bei der Gelegenheit der Erschiessungen Arbeitskräfte nach Heydekrug holen. Er, der Angeklagte Schmidt, habe jedoch erwidert, dass er nur Befehle von Tilsit ausführen könne. Der Landrat habe ihn dann noch gebeten, bei Dr. Scheu vorbeizugehen und ihm zu sagen, es wäre die letzte Gelegenheit, Arbeitskräfte zu holen; wenn er noch Arbeitskräfte benötige, möchte er zu ihm kommen. Darauf habe er allein, nicht in Begleitung eines anderen, Dr. Scheu auftragsgemäss unterrichtet. Am Freitagmittag habe der kommissarische Landrat Schm. ihn im Stalag aufgesucht und ihm erklärt, er habe mit Herrn Kreuzmann von der Stapostelle Tilsit gesprochen; danach habe er (der Angeklagte Schmidt) sich an der Aktion zu beteiligen; die allgemeine SS würde auch mitkommen; man wolle mit Genehmigung der Stapo Tilsit Arbeitskräfte nach Heydekrug holen. Der vom Landrat übermittelte Befehl habe dahin gelautet, dass er sich beim Abholen der Juden und bei der Erschiessungsaktion beteiligen solle. Am Abend desselben Tages sei der Kriminalkommissar Gerke ins Stalag gekommen. Er habe Gerke von der Mitteilung des Landrats erzählt und ihm gesagt, er verstünde gar nicht, warum man ihn in die Angelegenheit hineinziehe. Gerke habe darauf erwidert: "Wenn das so ist, dann ist Befehl Befehl." Hierauf habe er gesagt, dann sollten auch sein Kamerad Meierl, der mit ihm im Stalag gewesen sei, und der Angeklagte Bastian mitgehen. Gerke habe darauf befohlen, dass Bastian und Meierl mitmachen sollten. Darauf habe er Meierl mündlich und Bastian telefonisch verständigt, dass sie sich an der Erschiessung und