Justiz und NS-Verbrechen Bd.IV

Verfahren Nr.114 - 147 (1949)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

 

Lfd.Nr.136b OLG Neustadt 05.07.1950 JuNSV Bd.IV S.456

 

Lfd.Nr.136b    OLG Neustadt    05.07.1950    JuNSV Bd.IV S.456

 

Ss 18/50

 

Im Namen des Volkes

 

 

In der Strafsache gegen

 

B., geb. am 15.12.1899 in Otterberg, Sohn von Valentin und Wilhelmine geb. Wi., gelernter Maschinenarbeiter, dann Gendarmeriebeamter, jetzt ohne Beruf,

 

wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit,

 

hat der Strafsenat des Oberlandesgerichts in Neustadt a.d.Hdt. auf die Revision des Oberstaatsanwalts in der Sitzung vom 5.Juli 1950 für Recht erkannt:

 

Die Revision des Oberstaatsanwalts gegen das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 26.April 1949 wird als unbegründet auf Kosten der Staatskasse verworfen.

 

 

GRÜNDE

 

Nach den Feststellungen der Strafkammer fand der Angeklagte während des letzten Krieges als Gendarm bei der Feldgendarmerie Verwendung. Am 12.April 1945 übte er gemeinsam mit seinem Vorgesetzten, dem Gendarmerieoberleutnant Hinz, in der Gegend von Unteraichen und Leinfelden auf der Reichsautobahn Kontrolldienst aus. Hierbei wurde der 17jährige Soldat Josef Falter aus Winden in der Oberpfalz angehalten. Seine Erklärung, er gehöre zu einer in der Nähe liegenden Volkssturmeinheit und besuche mit Erlaubnis seines Einheitsführers seine in der nächsten Ortschaft vor kurzem zugezogenen Eltern, wurde von Hinz mit Misstrauen aufgenommen. Hinz entschloss sich, den Soldaten gemeinsam mit dem Angeklagten nach Oberaichen zu begleiten und erklärte Falter, falls seine Eltern dort tatsächlich wohnhaft seien, sehe er die Sache als ordnungsmässig an, andernfalls bleibe er festgenommen. In Oberaichen gab sich Falter eine Zeit lang den Anschein, seine Eltern zu suchen, erklärte dann aber, sie müssten im nächsten Ort wohnen. Hinz befahl dem Angeklagten, sich mit Falter nach der nächsten Ortschaft Leinfelden zu begeben. In Leinfelden versuchte Falter am Ortsausgang plötzlich zu entfliehen. Nach zweimaligem vergeblichen Haltrufen gab der Angeklagte einen scharfen Schuss ab, der Falter ins Herz traf und seinen sofortigen Tod herbeiführte.

 

Der Angeklagte wurde wegen dieses Sachverhaltes des Verbrechens gegen die Menschlichkeit nach Art.II 1c des KRG 10 beschuldigt. In der Hauptverhandlung wurde er freigesprochen. Die Revision des Oberstaatsanwalts ist nicht begründet.

 

1. Der Angeklagte will nach seiner Sachdarstellung in Notwehr gehandelt haben. Die tatsächliche und rechtliche Würdigung der Strafkammer geht dahin, es sei dieses Vorbringen des Angeklagten nicht widerlegt, es sei aber auch nicht erwiesen; da aber den Angeklagten die Beweislast für die von ihm behauptete Notwehr treffe, könne sein Vorbringen nicht durchdringen.

 

Diese Darlegungen sind rechtsirrig. Sie bedeuten eine unzulässige Übertragung zivilprozessrechtlicher Grundsätze auf das Strafverfahren. Die Strafbarkeit einer Handlung erfordert objektive Rechtswidrigkeit und subjektives Verschulden. Beides muss dem