Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.441

 

StGB in der Fassung des 9.StRÄndG vom 4.August 1969 (BGBl. I 1065) die Verjährung ohnehin erst am 31.Dezember 1979 eintreten würde.

 

II. Fall 21 der Anklage

 

Im Falle 21 der Anklageschrift, in dem die Staatsanwaltschaft Verurteilung wegen versuchten Mordes in drei Fällen beantragt hat, ist Strafverfolgungsverjährung eingetreten. Der hierzu oben (B VI) festgestellte Sachverhalt ist rechtlich als gefährliche Körperverletzung nach §223 a StGB zu werten, deren Verfolgung im Zeitpunkt der ersten richterlichen Unterbrechungshandlung im Jahre 1961 bereits verjährt war. Insoweit war das Verfahren daher wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses einzustellen (§260 Abs.3 StPO).

 

E. Freisprüche

 

Im Verlaufe der Hauptverhandlung ist das Verfahren in den Fällen 13, 14, 17, 18, 19 der Anklageschrift abgetrennt worden.

 

In den schliesslich noch verbleibenden Fällen erfolgte Freispruch, und zwar zu den Ziffern 2, 3, 4, 5, 6, 7, 15 und 16 der Anklage in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft, während in den Fällen 8, 9, 10, 11, 12 die Staatsanwaltschaft jeweils Verurteilung wegen vollendeten Mordes beantragt hat, was sie auch in den drei bereits abgehandelten Fällen 1, 20 und 22 der Anklage getan hat.

 

I. Fälle 2 bis 4 der Anklageschrift

 

In der Anklageschrift wird dem Angeklagten, gestützt auf im Jahre 1962 von dem Zeugen Schr. gemachte Bekundungen, folgendes zur Last gelegt:

 

Ziffer 2: Im Dezember 1941 misshandelte der Angeklagte einen etwa 18 Jahre alten Häftling namens Gottlieb aus Lemberg, Sonnengasse 10, zunächst durch Schläge mit einem Stock und tötete ihn anschliessend dadurch, dass er ihm mit den Stiefeln auf den Kehlkopf trat und ihn so erdrosselte.

Ziffer 3 der Anklageschrift: Wahrscheinlich im Januar 1942 ordnete der Angeklagte die Erhängung des Juden Landau aus Lemberg, Zoltiewska 12, vor sämtlichen Insassen des zu den DAW gehörigen Lagers an, weil er die Arbeit geringfügig vernachlässigt hatte.

Ziffer 4 der Anklage: Im Februar 1942 stiess der Angeklagte den jüdischen Häftling Brandstetter, einen Zuckerwarenerzeuger aus Lemberg (60 Jahre alt), in die Latrine. Brandstetter erstickte.

 

Zu diesen drei Fällen wurde in der Hauptverhandlung der 69 Jahre alte Zeuge Benjamin Schr. aus Wien vernommen.

 

Zu Fall 4 der Anklageschrift bekundete er, er habe erlebt, dass ein etwa 60-jähriger Mann namens Brandstetter, der Inhaber eines Selch- und Zuckerwarengeschäftes in Lemberg gewesen sei, sich auf den Latrinen versteckt gehalten habe, dort von einem SS-Mann entdeckt und in die Latrine gestossen worden sei. Brandstetter sei im Kot umgekommen. Er (der Zeuge) könne aber heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob der Angeklagte der Täter gewesen sei.

 

Bei dieser Unsicherheit des Zeugen Schr. war der Angeklagte freizusprechen, da nach der Beweisaufnahme ein begründeter Tatverdacht nicht mehr besteht. Zwar schilderte zusätzlich der Zeuge Por., ihm habe während seines Aufenthaltes im ZAL der Ingenieur Gryffel, der von seiner Person her ein sehr integerer Mann gewesen sei und dessen Berichte fundiert gewesen seien, erzählt, der Angeklagte habe einen Juden namens Brandstetter in eine Latrine oder Grube geworfen, wo dieser erstickt sei. Diesen Fall habe er (Por.) behalten, weil der