Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVII

Verfahren Nr.500 - 522 (1960 - 1961)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.511a LG Aurich 29.05.1961 JuNSV Bd.XVII S.421

 

Lfd.Nr.511a    LG Aurich    29.05.1961    JuNSV Bd.XVII S.436

 

Offiziers in der Dienststellung mindestens eines Bataillons-usw.-Kommandeurs kollektive Gewaltmassnahmen durchgeführt, wenn die Umstände eine rasche Feststellung einzelner Täter nicht gestatten.

5. Es wird ausdrücklich verboten, verdächtige Täter zu verwahren, um sie bei Wiedereinführung der Gerichtsbarkeit über Landeseinwohner an die Gerichte abzugeben.

6. Die Oberbefehlshaber der Heeresgruppen können im Einvernehmen mit den zuständigen Befehlshabern der Luftwaffe und der Kriegsmarine die Wehrmachtsgerichtsbarkeit über Zivilpersonen dort wieder einführen, wo das Gebiet ausreichend befriedet ist.

Für das Gebiet der politischen Verwaltung ergeht diese Anordnung durch den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht.

 

II. Behandlung der Straftaten von Angehörigen der Wehrmacht und des Gefolges gegen Landeseinwohner.

1. Für Handlungen, die Angehörige der Wehrmacht und des Gefolges gegen feindliche Zivilpersonen begehen, besteht kein Verfolgungszwang, auch dann nicht, wenn die Tat zugleich ein militärisches Verbrechen oder Vergehen ist.

2. Bei der Beurteilung solcher Taten ist in jeder Verfahrenslage zu berücksichtigen, dass der Zusammenbruch im Jahre 1918, die spätere Leidenszeit des deutschen Volkes und der Kampf gegen den Nationalsozialismus mit den zahllosen Blutopfern der Bewegung entscheidend auf bolschewistischen Einfluss zurückzuführen war und dass kein Deutscher dies vergessen hat.

3. Der Gerichtsherr prüft daher, ob in solchen Fällen eine disziplinare Ahndung angezeigt oder ob ein gerichtliches Einschreiten notwendig ist. Der Gerichtsherr ordnet die Verfolgung von Taten gegen Landeseinwohner im kriegsgerichtlichen Verfahren nur dann an, wenn es die Aufrechterhaltung der Manneszucht oder die Sicherheit der Truppe erfordert.

..."

Ende Mai 1941 wurde zwischen dem OKW, vertreten durch den Generalquartiermeister Wagner, und dem Reichsführer SS Himmler, vertreten durch den Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Heydrich, eine Vereinbarung über die Tätigkeit der Einsatzgruppen im Operationsraum der Wehrmacht geschlossen, in der allerdings von der Vernichtung der jüdischen Rasse noch nicht die Rede gewesen sein soll (vgl. die Aussagen des früheren SS-Brigadeführers Schellenberg, IMT Band IV S.415 bis 418 und des früheren Generalfeldmarschalls Keitel IMT Band X S.597 und 598). Ebenfalls im Mai 1941 fand in Zossen eine vom Generalquartiermeister Wagner einberufene Besprechung der Ic-Offiziere der Heeresgruppen und der Armeen statt, bei der auch SS-Dienstgrade vertreten waren. Es wurde bekanntgegeben, dass im kommenden Ostfeldzug Einsatzgruppen und Einsatzkommandos den Heeresgruppen bzw. den Armeen zugeteilt werden würden, welche u.a. die Aufgabe haben würden, politische Persönlichkeiten, Material und Akten sicherzustellen und die Truppe zu schützen. Diese Einsatzgruppen und die Einsatzkommandos seien sachlich dem Reichssicherheitshauptamt und nur versorgungsmässig den Heeresverbänden unterstellt. Auch bei dieser Besprechung soll aber nicht erwähnt worden sein, dass die Einsatzgruppen und Einsatzkommandos insbesondere auch die Aufgabe hatten, sämtliche Juden einschliesslich der Frauen und Kinder zu vernichten.

 

Nach Beginn des Russlandfeldzuges wurde die im Osten bereits angelaufene "Endlösung", d.h. die Ausrottung der jüdischen Rasse, auf das gesamte deutsche Einflussgebiet in Europa ausgedehnt. Zu diesem Zweck schrieb der damalige Reichsmarschall Göring im Juli 1941 an den Chef der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Gruppenführer Heydrich (IMT Band XXVI S.266 ff.):

"In Ergänzung der Ihnen bereits mit Erlass vom 24.1.39 übertragenen Aufgabe, die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigen