Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.435

 

5. Schliesslich soll noch einmal eigens hervorgehoben werden, was bei der Beweiswürdigung der einzelnen Fälle nicht gesondert geschehen ist, dass die Einlassung des Angeklagten über die Zeitpunkte seiner Abwesenheit von den DAW (oben A IV 7) den Feststellungen der Tatzeiten der drei erwiesenen Fälle nicht entgegenstehen. Entweder war der Angeklagte in der Zeitspanne, in die die festgehaltene Tatzeit fiel, nach seinen eigenen Angaben nicht von den DAW abwesend gewesen, so im Falle der Tötung des Bretterträgers (Ziffer 22 der Anklageschrift - oben B II), oder seine Abwesenheiten waren in den fraglichen Zeiträumen doch nur von vorübergehender Dauer. Ein Widerspruch zu den festgestellten Tatzeiten, die aus den bei der Würdigung der Zeugenaussagen dargelegten Gründen nicht näher eingegrenzt werden konnten, besteht somit nicht, und zwar auch nicht im Falle der Tötung des Dr. Luchs (Ziffer 1 der Anklage - oben B IV). Die zehntägige Reise des Angeklagten nach Odessa Ende November 1942 fällt zwar in den weiteren Zeitrahmen, innerhalb dessen die Tat sich ereignete. Diese Abwesenheit des Angeklagten liegt aber datumsmässig nicht fest, so dass ihr ohnehin eine gewisse Unsicherheit anhaftet dahingehend, ob sie zum Beispiel ganz im November 1942 lag oder in den Dezember 1942 hineinreichte. Andererseits legen die Bekundungen des Zeugen Schl., wie ausgeführt (s. C IV), als Tatzeitraum die Zeitspanne von Mitte November bis in die ersten Dezembertage des Jahres 1942 nahe. Die Einlassung des Angeklagten und die Angaben Schl.s schliessen sich somit keineswegs gegenseitig aus, sie lassen sich durchaus miteinander in dem Sinne vereinbaren, dass die Tötung des Dr. Luchs entweder kurz vor oder kurz nach dem Aufenthalt des Angeklagten in Odessa erfolgte.

 

VI. Zu Fall 21 der Anklageschrift

 

Der objektive Teil des hierzu festgehaltenen Geschehensablaufs beruht auf der eidlichen Aussage der Zeugin Zahawa Zel.

 

Diese hatte sich an dem Tattag in ein Technikerbüro begeben, das an den Platz, auf dem die Frauen versammelt waren, angrenzte. Sie hatte nämlich erfahren, dass eine grössere Gruppe von Frauen in die DAW gebracht worden war und an dem fraglichen Platz Aufstellung genommen hatte, damit aus ihnen Arbeitskräfte für die DAW ausgesucht werden konnten. Sie begab sich, wie sie weiter bekundete, in das in der Nähe des Platzes gelegene Technikerbüro, um, wenn sie unter den versammelten Frauen Bekannte entdecken würde, zu deren Gunsten "helfen" zu können, d.h. ihren Einfluss bei dem Angeklagten dahingehend geltend zu machen, dass eine unter der Ansammlung ausgemachte Bekannte als Arbeitskraft für die DAW ausgewählt würde. Von dem Technikerbüro aus beobachtete sie die Vorfälle durch ein Fenster. Nach den Schüssen begab sie sich durch einen rückwärtigen Ausgang des Technikerbüros in das Wohnhaus Gebauers zurück. Sie erfuhr am gleichen Tage bei Gesprächen mit den im Technikerbüro beschäftigten Funktionshäftlingen, die wie sie über Privilegien hinsichtlich ihrer Bewegungsfreiheit und Wohnung verfügten, dass die drei Frauen tot gewesen seien.

 

In diesem Fall vermochte die Zeugin Zel. eine recht enge Datumseingrenzung zu geben. Das Vorkommnis habe sich entweder zur Zeit der Ghettoliquidierung oder kurz danach abgespielt. Das Ghetto wurde, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, im Juni 1943 liquidiert, so dass diese Datumsangabe festgehalten werden konnte. In den Tatzeitraum "Juni 1943" fiel zwar eine 14-tägige Abwesenheit des Angeklagten, in der er bei einer Familie Steinhoff in der Nähe von Lemberg einen Erholungsurlaub verbrachte. Dies steht aber der obigen Feststellung nicht entgegen, da mangels näherer datumsmässiger Fixierung dieser Abwesenheit des Angeklagten vom Monat Juni 1943 noch weitere zwei Wochen zur Verfügung stehen, in denen er in den DAW war und in denen sich obiger Vorfall ereignete.

 

Der übrige unter B V festgestellte Sachverhalt, der die Schilderung der Zeugin Zel. wiedergibt, wurde der Urteilsfindung uneingeschränkt zugrunde gelegt. Hinsichtlich der Erinnerungszuverlässigkeit der Zeugin, die durch die Genauigkeit der diesbezüglichen Darstellung