Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVII

Verfahren Nr.500 - 522 (1960 - 1961)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.511a LG Aurich 29.05.1961 JuNSV Bd.XVII S.421

 

Lfd.Nr.511a    LG Aurich    29.05.1961    JuNSV Bd.XVII S.435

 

"Barbarossa", beauftragte Hitler den Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, mit der radikalen Vernichtung des Judentums in Osteuropa. Dieser - niemals schriftlich niedergelegte - Führerbefehl wurde den für seine Durchführung verantwortlichen Stellen nur stückweise bekanntgegeben. Am 3.März 1941 fand im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) zwischen Hitler, Himmler und Keitel eine Besprechung über Sondervollmachten statt, die der Reichsführer SS Himmler mit seinen Sonderformationen bei der Durchführung von Polizeiaktionen (sogenannten Bereinigungsaktionen) im rückwärtigen Armee- und Heeresgebiet erhalten sollte, wobei die Lösung der Judenfrage allerdings noch nicht erwähnt wurde. Generalfeldmarschall Keitel gab dann am 13.März 1941 seinen Oberkommandierenden bekannt, dass Hitler im Operationsgebiet des Heeres dem Reichsführer SS besondere Aufgaben erteilt habe, die sich aus dem endgültig auszutragenden Kampf zweier entgegengesetzter politischer Systeme ergäben, ohne dabei die nähere Aufgabe zu nennen, und dass Himmler im Rahmen dieser Aufgaben selbständig und in eigener Verantwortung handele. Ferner sprach Hitler am 17.März 1941 nach einem Vortrag des Generalfeldmarschalls Halder davon, dass die Führungsmaschinerie des russischen Reiches zerschlagen werden müsse. Die Anwendung brutaler Gewalt im grossrussischen Raum sei notwendig. Die Funktionäre müssten vernichtet werden, um die Bande des sowjetischen Reiches zu zerreissen. Am 28.April 1941 erging ein von Generalfeldmarschall von Brauchitsch unterzeichneter Befehl des Generalkommandos des Heeres betreffend Regelung des Einsatzes der Sicherheitspolizei und des SD im Verband des Heeres, in welchem das Heer auf das Bestehen von Einsatzgruppen und auf deren Aufgaben im rückwärtigen Armeegebiet und im rückwärtigen Heeresgebiet, insbesondere auf deren Berechtigung, im Rahmen ihres Auftrages in eigener Verantwortung Exekutivmassnahmen gegenüber der Zivilbevölkerung zu treffen, hingewiesen wurde.

 

Am 13.Mai 1941 erliess Adolf Hitler den als "Barbarossabefehl" bekannten Erlass über die Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet "Barbarossa" und über besondere Massnahmen der Truppe (IMT Band XXXIV S.249 bis 254 - Doc.050-C), in dem es hiess:

"Die Wehrmachtsgerichtsbarkeit dient in erster Linie der Erhaltung der Manneszucht.

Die weite Ausdehnung der Operationsräume im Osten, die Form der dadurch gebotenen Kampfesführung und die Besonderheit des Gegners stellen die Wehrmachtgerichte vor Aufgaben, die sie während des Verlaufs der Kampfhandlungen und bis zur ersten Befriedung des eroberten Gebietes bei ihrem geringen Personalbestand nur zu lösen vermögen, wenn sich die Gerichtsbarkeit zunächst auf ihre Hauptaufgabe beschränkt.

Das ist nur möglich, wenn die Truppe selbst sich gegen jede Bedrohung durch die feindliche Zivilbevölkerung schonungslos zur Wehr setzt.

Demgemäss wird für den Raum "Barbarossa" (Operationsgebiet, rückwärtiges Heeresgebiet und Gebiet der politischen Verwaltung) folgendes bestimmt:

 

I. Behandlung von Straftaten feindlicher Zivilpersonen.

1. Straftaten feindlicher Zivilpersonen sind der Zuständigkeit der Kriegsgerichte und der Standgerichte bis auf weiteres entzogen.

2. Freischärler sind durch die Truppe im Kampf oder auf der Flucht schonungslos zu erledigen.

3. Auch alle anderen Angriffe feindlicher Zivilpersonen gegen die Wehrmacht, ihre Angehörigen und das Gefolge sind von der Truppe auf der Stelle mit den äussersten Mitteln bis zur Vernichtung des Angreifers niederzukämpfen.

4. Wo Massnahmen dieser Art versäumt wurden oder zunächst nicht möglich waren, werden tatverdächtige Elemente sogleich einem Offizier vorgeführt. Dieser entscheidet, ob sie zu erschiessen sind. Gegen Ortschaften, aus denen die Wehrmacht hinterlistig oder heimtückisch angegriffen wurde, werden unverzüglich auf Anordnung eines