Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVII

Verfahren Nr.500 - 522 (1960 - 1961)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.511a LG Aurich 29.05.1961 JuNSV Bd.XVII S.421

 

Lfd.Nr.511a    LG Aurich    29.05.1961    JuNSV Bd.XVII S.434

 

den Juden verboten, ohne schriftliche Erlaubnis der Ortspolizeibehörde den Bereich ihrer Wohngemeinde zu verlassen sowie Orden und Ehrenzeichen zu tragen; andererseits mussten sie vom 6. Lebensjahr an in der Öffentlichkeit den Judenstern tragen. Durch die Verordnung über die Beschäftigung von Juden vom 31.10.1941 (RGBl. I S.681) wurden die Arbeitsverhältnisse der Juden zu Beschäftigungsverhältnissen besonderer Art umgewandelt. Nach der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.11.1941 (RGBl. I S.722) wurde Juden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Ausland verlegt hatten, die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen; ihr Vermögen verfiel dem Deutschen Reich.

 

2. Die Juden im Memelland und im litauischen Grenzraum bis zum Einmarsch der deutschen Truppen

 

Bis zur Besetzung des Memellandes durch Litauen im Jahre 1923 war der Anteil der jüdischen Bevölkerung im Memelland sehr gering. Dieser Zustand änderte sich jedoch bald, da aus Litauen, das eine verhältnismässig starke jüdische Bevölkerung aufwies, eine Masseneinwanderung von Juden in das Memelland einsetzte. Die Juden siedelten sich aber vorwiegend in den grösseren Städten, vor allem in Memel, an, während der Zustrom der Juden in die Kleinstädte und auf das Land wesentlich schwächer war. Daher gab es in Heydekrug - nach der zuverlässigen Schätzung des Zeugen K. - im Jahre 1938 nur etwa 100 bis 120 jüdische Familien, die hauptsächlich vom Handel und vom Handwerk lebten. Das Verhältnis zwischen den Juden und der übrigen Bevölkerung war trotz der nationalsozialistischen Hetzpropaganda, die auch in das unter litauischer Herrschaft stehende Memelland drang, durchaus ungetrübt. Von einer antisemitischen Einstellung der Memeldeutschen war - jedenfalls bis zum Anschluss im März 1939 - nichts zu bemerken.

Dennoch blieben die Geschehnisse im Reichsgebiet nicht ohne Einfluss auf das Memelland. Schon die Ereignisse der sogenannten Reichskristallnacht veranlassten viele Juden zur Rückkehr in ihre litauische Heimat oder zur Auswanderung nach Übersee. In den Tagen vor dem Anschluss des Memellandes an das Deutsche Reich und in den unmittelbar folgenden Tagen verliessen dann fast alle Juden fluchtartig das Memelland und zwar auch die alteingesessenen Juden, die schon vor dem Jahre 1923 im Memelland gewohnt hatten. Sie siedelten sich zumeist im benachbarten litauischen Grenzgebiet an. Nach dem Anschluss wurden auch im Memelland die jüdischen Kultstätten von einigen fanatischen Nationalsozialisten zerstört. In Heydekrug setzten unbekannte Täter die Synagoge in Brand; ausserdem wurde der jüdische Friedhof demoliert. Die grosse Mehrheit der Bevölkerung zeigte indessen für diese Ausschreitungen kein Verständnis.

Zwischen Juden und Litauern hatte es früher ebenfalls keine ernsthaften Spannungen gegeben. Dieses Verhältnis verschlechterte sich jedoch, als Litauen im Juni 1940 in die Sowjetunion eingegliedert wurde, da offenbar ein Teil der Juden eng mit den Kommunisten zusammenarbeitete. Jedenfalls fanden die deutschen Truppen bei ihrem Einmarsch im Juni 1941 in der litauischen Bevölkerung eine starke judenfeindliche Einstellung vor. Viele Litauer, die die Deutschen als ihre Befreier vom Bolschewismus begrüssten, waren sofort bereit, sich an Gewaltmassnahmen gegen die jüdischen Einwohner zu beteiligen.

 

3. Die "Endlösung der Judenfrage" und der sogenannte "Barbarossabefehl"

 

Schon vor Kriegsausbruch hatte Adolf Hitler eine physische Vernichtung der Juden erwogen. Dies geht aus seiner Reichstagsrede vom 30.Januar 1939 hervor, in der er u.a. erklärte:

"Ich will heute wieder ein Prophet sein. Wenn es dem internationalen Finanzjudentum innerhalb und ausserhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa."

Im Zusammenhang mit dem geplanten Angriff auf die Sowjetunion, dem Unternehmen