Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVII

Verfahren Nr.500 - 522 (1960 - 1961)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.511a LG Aurich 29.05.1961 JuNSV Bd.XVII S.421

 

Lfd.Nr.511a    LG Aurich    29.05.1961    JuNSV Bd.XVII S.433

 

31.10.1938 (RGBl. I S.969, 1403, 1545) und vom 17.1.1939 (RGBl. I S.47) wurden die Juden von den Berufen des Arztes, Rechtsanwalts, Patentanwalts, Zahnarztes, Tierarztes und Apothekers ausgeschlossen.

Damit die Juden im täglichen Leben leichter zu erkennen waren, mussten sie gemäss der 3. Bekanntmachung über den Kennkartenzwang vom 23.7.1938 (RGBl. I S.922) die Ausstellung von Kennkarten unter Hinweis auf ihre Eigenschaft als Juden beantragen und bei ihren Anträgen an amtliche oder parteiamtliche Dienststellen unaufgefordert auf ihre Eigenschaft als Jude hinweisen. Aus dem gleichen Grund hatten nach der 2. DVO zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 17.8.1938 (RGBl. I S.1044) die männlichen Juden den Vornamen "Israel" und die weiblichen Juden den Vornamen "Sara" zusätzlich als weiteren Vornamen anzunehmen, soweit sie nicht schon einen jüdischen Vornamen führten.

 

Die Ermordung des Legationssekretärs vom Rath in Paris am 7.November 1938 gab den Nationalsozialisten einen willkommenen Vorwand, im ganzen Reichsgebiet "spontane Protestkundgebungen" gegen die Juden auszulösen. Diese Pogrome, die von Angehörigen der Parteigliederungen in der Nacht vom 9. zum 10.November 1938 verübt wurden, waren von der Staats- und Parteiführung befohlen und gesteuert, wie aus einem Blitzfernschreiben des Chefs der Sicherheitspolizei Heydrich vom 10.November 1938 an die Staatspolizei- und SD-Dienststellen hervorgeht (IMT Band XXXI S.515 ff - Doc.3051-PS). Bei dieser Aktion wurden eine grosse Anzahl jüdischer Wohnungen und Geschäfte zerstört oder in Brand gesetzt, 191 Synagogen angezündet und 76 weitere vollständig demoliert, 36 Juden getötet und weitere 36 Juden schwer verletzt, sowie rund 20000 Juden festgenommen, wie sich aus dem Schnellbrief des damaligen SS-Gruppenführers Heydrich an den preussischen Ministerpräsidenten und Generalfeldmarschall Göring vom 11.November 1938 ergibt (IMT Band XXXII S.1 und 2 - Doc.3058-PS).

Nach dieser "Reichskristallnacht" wurde den Juden der Besitz von Schuss-, Hieb- und Stosswaffen verboten (Verordnung vom 11.11.1938 (RGBl. I S.1573). Ferner wurde ihnen durch die Verordnung zur Wiederherstellung des Strassenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben vom 12.11.1938 (RGBl. I S.1581) unter Beschlagnahme ihrer Versicherungsansprüche zugunsten des Reiches zur Auflage gemacht, die in der Reichskristallnacht an ihren Wohnungen und Geschäften entstandenen Schäden auf eigene Kosten zu beseitigen. Als kollektive Sühnemassnahme wurde den Juden deutscher Staatsangehörigkeit die Zahlung einer Kontribution von einer Milliarde Reichsmark an das Deutsche Reich auferlegt (Verordnung vom 12.11.1938 - RGBl. I S.1579). Schliesslich wurden durch eine weitere Verordnung vom 12.11.1938 (RGBl. I S.1580) die Juden völlig aus dem deutschen Wirtschaftsleben ausgeschaltet und durch die Verordnung vom 3.12.1938 (RGBl. I S.1709) die Möglichkeit von Zwangsveräusserungen jüdischer Gewerbebetriebe, Grundstücke und sonstiger Vermögenswerte geschaffen.

 

In der Folgezeit wurden die Juden im "Dritten Reich" immer unwürdiger behandelt. Durch den Führererlass vom 16.11.1938 (RGBl. I S.1611) wurde ihnen das Recht zum Tragen einer Uniform der alten oder der neuen Wehrmacht entzogen. Nach der Verordnung über die öffentliche Fürsorge für Juden vom 19.11.1938 (RGBl. I S.1649) waren Juden im Falle der Hilfsbedürftigkeit grundsätzlich auf die Hilfe der jüdischen freien Wohlfahrtspflege zu verweisen. Auf Grund der Polizeiverordnung über das Auftreten der Juden in der Öffentlichkeit vom 28.11.1938 (RGBl. I S.1676) konnte die Bewegungsfreiheit der Juden eingeschränkt werden. Das Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden vom 30.4.1939 (RGBl. I S.864) führte zu einer weitergehenden Entrechtung jüdischer Mieter, die in nichtjüdischen Häusern wohnten, sowie der jüdischen Hausbesitzer und leitete dadurch die Ghettobildung ein. Nach der 10. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 4.7.1939 (RGBl. I S.1097) wurden die Juden in einer Reichsvereinigung zusammengeschlossen. Diese Zwangsorganisation, die dem Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes unterstand, hatte den Zweck, die Auswanderung der Juden zu fördern, und war ausserdem Träger des jüdischen Schulwesens und der freien jüdischen Wohlfahrtspflege. Nach der Verordnung vom 15.11.1939 (RGBl. I S.2239) durften Juden die Tätigkeit einer Säuglings- und Kinderschwester nur an Juden oder in jüdischen Anstalten ausüben. Durch die Polizeiverordnung vom 1.9.1941 (RGBl. I S.545) wurde es