Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.429

 

Bei dem Zeugen Schl. handelt es sich um einen heute 62 Jahre alten Mann, der von Beruf Tischler ist. Er ist im Jahre 1949 in die Vereinigten Staaten eingewandert und seit 1952 amerikanischer Staatsangehöriger.

 

Bei der Würdigung seiner Aussage ist zunächst zu klären, in welchem Zeitraum der Zeuge sich in den DAW aufhielt. Seine diesbezüglichen Datumsangaben in seinen drei konsularischen Vernehmungen stimmen nicht überein. In seiner letzten Aussage am 20.Januar 1971 gab er an, bis zum 19.Dezember 1941 in den DAW gewesen zu sein, schränkte aber dann ein, er könne sich auf die Jahreszahl nicht festlegen. Bei seiner Vernehmung am 24.April 1961 bekundete er, er sei 1941 in den DAW als Tischler gewesen, und erwähnte ferner im Verlaufe seiner Aussage als Datum für Erlebnisse in den DAW den Oktober und November 1942; die Tötung des Dr. Luchs verlegte er auf "etwa November 1941". In seiner Vernehmung am 21.September 1962 sagte er aus, er sei im Sommer 1941 in seiner Heimatstadt Drohobycz festgenommen und bald darauf in das Lager Janowska gebracht worden, wo er bis 19.Dezember 1942 gewesen sei; die Tötung des Dr. Luchs habe sich im November 1941 ereignet.

 

Diese unterschiedlichen Datumsangaben besagen als solche noch nichts Entscheidendes gegen die Erinnerungsfähigkeit des Zeugen im allgemeinen. Zeitmarkierungen, insbesondere die Festlegung von Jahreszahlen, bleiben im menschlichen Gedächtnis normalerweise schlecht haften. Sie können, wenn es sich um lange zurückliegende Zeitpunkte handelt, im allgemeinen nur durch Heranziehen besonderer Bezugspunkte im Wege des Nachdenkens fixiert werden. Wenn dabei die Bezugsmerkmale, an denen sich der Zeuge orientiert, nicht mit grösster Sicherheit zeitlich festliegen, verliert eine gleichwohl gemachte Zeitangabe an Aussagewert. Höheren Beweisgehalt als die von einem Zeugen bekundete Jahreszahl haben die Begleitumstände, die in seiner Aussage enthalten sind, wenn diese geeignet sind, auf Grund sonstiger Erkenntnisse zu einer zeitlichen Einordnung zu führen. Dies ist bei der Aussage des Zeugen Schl. der Fall. Er schilderte, dass bei seiner Ankunft in den DAW das Janowska-Lager noch im Aufbau war. Demnach kann er nicht vor Mai 1942 nach Lemberg gekommen sein, da nach den gesicherten Feststellungen unter A IV 4 c erst zu diesem Zeitpunkt mit der Errichtung des ZAL begonnen worden ist. Der Zeuge war aber, wie er weiter bekundete, von Anfang seines Aufenthalts an im ZAL kaserniert und wurde morgens über die Janowska-Strasse in die DAW geführt. Diese Angaben führen nach den Bekundungen des Zeugen Fed. (s. oben A IV 4 c) zu einer weiteren Eingrenzung des Zeitraumes, in dem der Zeuge in den DAW war. Schl. kann danach nicht vor dem 6.Juli 1942 im Janowska-Lager und in den DAW gewesen sein, da vor dem Lazarettaufenthalt des Zeugen Fed., der durch Eintragungen in seinem Soldbuch genau fixiert ist, das ZAL noch nicht mit Häftlingen belegt war. Somit scheidet das Jahr 1941 als Ankunftszeit des Zeugen Schl. in den DAW mit Sicherheit aus. Da der Zeuge weiter bekundete, es sei kalt gewesen und habe geschneit, als er in Lemberg angekommen sei, kommt als Ankunftstermin in den DAW frühestens der Herbst 1942 in Betracht. Der Angeklagte erklärte in anderem Zusammenhang, in Lemberg habe bereits frühzeitig der Winter eingesetzt; so habe im November meistens schon hoher Schnee gelegen. Die Festlegung der Ankunft Schl.s auf Herbst 1942 ist auch vereinbar mit der weiteren Angabe des Zeugen, er sei mit den übrigen Insassen eines Lagers in Drohobycz ins ZAL gekommen, wo eine Selektion vorgenommen worden sei. Das ZAL war nämlich erst ab August 1942 in die Durchführung von Aktionen und Selektionen eingespannt. Wenn Schl. den 19.Dezember als Datum seiner Flucht aus den DAW angibt, so handelt es sich nach Vorstehendem eindeutig um den 19.Dezember 1942. Eine solche genaue Tages- und Monatsangabe kann weit eher als die Jahreszahl als richtig übernommen werden, da bei einschneidenden Erlebnissen, wie der Flucht des Zeugen und seiner Rückkehr zu seiner Familie, sich die Daten solcher Ereignisse, wie viele andere Zeugen bekundeten, auch über dreissig Jahre hinweg in ihrem Gedächtnis festgehalten haben. Geht man von diesem Datum (19.Dezember 1942) aus, so wird die oben herausgearbeitete Ankunftszeit durch die Schätzung des Zeugen, er sei etwa zwei bis drei Monate in den DAW gewesen, nochmals bestätigt. Wenn der Zeuge