Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVII

Verfahren Nr.500 - 522 (1960 - 1961)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.511a LG Aurich 29.05.1961 JuNSV Bd.XVII S.421

 

Lfd.Nr.511a    LG Aurich    29.05.1961    JuNSV Bd.XVII S.429

 

planmässigen Landrat ernannt wurde, erneut zur Wehrmacht einberufen. Daraufhin wurde mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Landrats zunächst der Gerichtsassessor Seiler und im Frühjahr oder Sommer 1940 der Regierungsassessor, später Regierungsrat, Schm. (Zeuge) beauftragt. Regierungsassessor Schm. (Jahrgang 1912) war sogenannter "alter Kämpfer", Mitglied der NSDAP seit August 1930, SA-Mitglied seit 1931. SS-Bewerber, Träger des goldenen HJ-Ehrenzeichens und Vertrauensmann (V-Mann) des SD. Er hatte 1938 das Assessorexamen bestanden und war anschliessend beim Landratsamt Fulda und bei der Regierung Gumbinnen beschäftigt worden. Sein Vater war SA-Sturmbannarzt und ein guter Bekannter des ostpreussischen Gauleiters Erich Koch. Im Frühjahr 1942 wurde der Zeuge Schm. zum Heeresdienst einberufen und durch Regierungsassessor Krause von der Regierung Gumbinnen ersetzt.

Leiter der Kommunalabteilung des Landratsamtes war im Sommer 1941 der Kreisbürodirektor K. (Zeuge). Zur Kommunalabteilung gehörten u.a. das Kreiswohlfahrtsamt (Leiter: Kreisinspektor Bu. - Zeuge), das Kreisbauamt für Landeskultur (Leiter: Kreisbaumeister Kairies), das Kreisbauamt für Strassenwesen (Leiter: Kreisbaumeister Pa. - Zeuge) und das Kreisbauamt für Hochbau (Leiter: Kreisarchitekt Roth).

Leiter der Staatlichen Abteilung des Landratsamtes war damals der Regierungsinspektor Erich Rosin. In dieser Abteilung war auch der Angeklagte Jagst beschäftigt, der die Sachgebiete Land- und Forstwirtschaft, Grundstücksverkehr, Jagdsachen, Fischerei und Beschaffung der Arbeitskräfte für Kreis- und Landwirtschaft zu bearbeiten hatte. Bürgermeister der knapp 6000 Einwohner zählenden Gemeinde Heydekrug war seit dem Frühjahr 1939 der frühere Bürgermeister von Tannenwalde bei Königsberg, W. Die Kreisbauernschaft Heydekrug unterstand dem Stabsleiter Diplomlandwirt Brokoph. Sie war in drei Hauptabteilungen gegliedert (I: Der Mensch, II: der Hof, III: Der Markt). Leiter der Hauptabteilung I war der Angeklagte Dr. Scheu.

 

2. Die Staatspolizei (Stapo)

 

Das Memelland gehörte zum Zuständigkeitsbereich der Staatspolizeistelle (Stapo) Tilsit, die für den ganzen Regierungsbezirk Gumbinnen zuständig war.

Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) war die politische Polizei des Dritten Reiches und sein wichtigstes Instrument zur Unterdrückung der Gegner des Nationalsozialismus. Durch den Führererlass vom 17.Juni 1936 (RGBl. I S.487) war die gesamte deutsche Polizei dem Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, unterstellt worden. Himmler unterstanden der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Gruppenführer Heydrich, und der Chef der Ordnungspolizei, General Daluege. Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Heydrich, war Leiter des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA). Die Dienststellen der Gestapo waren dem Amt IV des RSHA (Amtschef: Heinrich Müller) unmittelbar unterstellt. Die Höheren SS- und Polizeiführer und die ihnen nachgeordneten Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD, die Himmler für jeden Wehrkreis bestellt hatte, hatten gegenüber der Gestapo nur die allgemeine Dienstaufsicht, aber keine Weisungsbefugnisse.

 

Leiter der Staatspolizeistelle Tilsit war im Sommer 1941 der Regierungsrat und SS-Sturmbannführer Böhme 120 (Zeuge). Sein Stellvertreter war bis Mitte Juli 1941 der Regierungsassessor und SS-Hauptsturmführer Ilges 121, dessen Machtbefugnisse jedoch gering waren, da Böhme ihn als "Versager" betrachtete. Die rechte Hand des Zeugen Böhme und der Mann seines Vertrauens war vielmehr der Kriminalkommissar und SS-Obersturmführer Kreuzmann 122 (Zeuge).

Die Staatspolizeistelle Tilsit bestand aus drei Abteilungen:

a. Abteilung I (Personalsachen, allgemeine Verwaltung, Kraftfahrwesen, Besoldung und Waffen) unter der Leitung des im Kriege vermissten Kriminalinspektors Fellenberg;

b. Abteilung II - Exekutivabteilung - (Beschäftigung mit den Gegnern des Nationalsozialismus - Juden, Freimaurer, Bibelforscher, Kirchen, Kommunisten, Sozialisten - sowie Überwachung der politischen Häftlinge und Fremdarbeiter) unter der Leitung des Kriminalkommissars Kreuzmann; zu dieser Abteilung gehörte auch der Kriminalkommissar Krumbach 123 (Zeuge);

c. Abteilung III (Landesverrat, Spionageabwehr und Dienstaufsicht über die Grenzpolizeikommissariate Memel, Tilsit, Eydtkau und Sudauen) unter der Leitung des Kriminalkommissars

 

120 Siehe Lfd.Nr.465.

121 Siehe Lfd.Nr.444.

122 Siehe Lfd.Nr.465.

123 Siehe Lfd.Nr.547.