Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVII

Verfahren Nr.500 - 522 (1960 - 1961)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.511a LG Aurich 29.05.1961 JuNSV Bd.XVII S.421

 

Lfd.Nr.511a    LG Aurich    29.05.1961    JuNSV Bd.XVII S.427

 

und nahm dort Arbeit bei einem Bauern an. Der Angeklagte war bereits im Jahre 1927 in die HJ eingetreten und trat nun auch in die SA ein. Ende 1932 wurde er Jungbann- und Unterbannführer der HJ in Duderstadt. Er gab diese Tätigkeit aber im Sommer 1933 wieder auf, weil es ihm nicht gelang, die erstrebte hauptberufliche und besoldete Führerstellung zu bekommen. Anschliessend arbeitete er in einem Aluminiumwerk und dann auf dem Flugplatz in Göttingen. Auf seine Meldung wurde er im Oktober 1934 bei der Landespolizei in Merseburg als Unterwachtmeister eingestellt und im Frühjahr 1935 als Berufssoldat in die Luftwaffe übernommen. Sein Wunsch, Sturzkampfflieger zu werden, blieb indes unerfüllt, weil er im September 1936 einen Kraftradunfall erlitt, der eine schwere Gehirnerschütterung und möglicherweise auch eine Felsenbeinfraktur zur Folge hatte. Der Angeklagte musste wegen dieses Unfalles mehrere Monate im Lazarett liegen. Nachdem er im Jahre 1937 noch einen Manöverunfall mit Ischiasnervzerrung erlitten hatte, schied er als Obergefreiter im April 1939 nach viereinhalbjähriger Dienstzeit aus der Luftwaffe aus.

 

Auf Grund seines Zivilversorgungsscheines meldete er sich zur Grenzpolizei. Er besuchte von April bis Juli 1939 die Grenzpolizeischule in Pretzsch/Elbe und wurde dann als Kriminalassistentenanwärter zum Grenzpolizeikommissariat Treuburg (Ostpreussen) abgeordnet. Nach kurzfristiger Verwendung auf einem Grenzpolizeiposten im Suwalki-Gebiet wurde er im Herbst 1939 zum Grenzpolizeiposten Kolleschen (Memel) versetzt. Im Oktober 1940 wurde er zum ausserplanmässigen Kriminalassistenten mit dem Angleichungsdienstgrad eines SS-Unterscharführers und im September 1942 zum planmässigen Kriminalassistenten ernannt. Im Frühjahr 1941 wurde er vom höheren SS- und Polizeigericht mit einem Verweis, acht oder zehn Tagen Arrest und zwei Jahren Alkoholverbot bestraft, weil er in betrunkenem Zustand einen Matrosen in einer Gaststätte angehalten und nach seinen Papieren gefragt haben sollte.

Kurz nach Beginn des Russlandfeldzuges erhielt der Angeklagte Schmidt den Auftrag, unter den russischen Kriegsgefangenen in dem Kriegsgefangenenlager (Stalag) Matzicken bei Heydekrug die Juden und die politischen Kommissare herauszusuchen, die in Ausführung des sogenannten Barbarossabefehls erschossen werden sollten. Nach Beendigung dieser Aufgabe wurde der Angeklagte zur Stapostelle in Tilsit versetzt. Hier hatte er Fremdarbeiterangelegenheiten zu bearbeiten.

 

Im Juni 1943 wurde er zum SS-Flak-Ausbildungs- und Ersatzregiment nach München versetzt, aber nach ärztlicher Untersuchung am 1.September 1944 als dienstunfähig wieder entlassen. Im Anschluss daran wurde er als Ausbilder bei einer SS-Ersatzeinheit in Konitz verwendet. Hier erkrankte er an Gelbsucht und lag bis Anfang 1945 im Lazarett. Beim Kampf um Konitz erlitt er erneut eine Gehirnerschütterung. Anfang Mai 1945 geriet er bei Parchim (Mecklenburg) in amerikanische Gefangenschaft. Von Juli 1945 bis April 1948 war er in Neuengamme interniert. Vom Spruchgericht in Bergedorf wurde er wegen Zugehörigkeit zu einer verbrecherischen Organisation zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, die als durch die Internierungshaft verbüsst galten.

Nach seiner Entlassung ging er zunächst zu seiner Schwester nach Hamburg, dann zu einem Vetter ins Rheinland und im Herbst 1948 zu seinen Eltern in Katzenelnbogen. Von Sommer 1949 bis 1954 war er bei einer Fahrradgrosshandlung in Wiesbaden als Reisender tätig, später fand er eine Anstellung als kaufmännischer Angestellter bei einer Grosshandelsfirma in Frankfurt a.M.

 

Der Angeklagte hatte im Jahre 1940 und im Jahre 1945 geheiratet. Beide Ehen wurden ohne sein Verschulden geschieden. Aus der ersten Ehe ist ein Sohn hervorgegangen, die zweite Ehe blieb kinderlos. Im Dezember 1959 hat der Angeklagte zum dritten Mal geheiratet.

Der Angeklagte Schmidt ist bisher unbestraft. Er wurde am 11.August 1960 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. In der Zeit vom 4.November bis 15.Dezember 1960 war er zur Beobachtung auf seinen Geisteszustand im Landeskrankenhaus Osnabrück untergebracht.