Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.426

 

bezüglich des Zeitpunktes der Tat. Sie verlegte diesen in das Frühjahr 1942, ohne ihn konkreter fixieren zu können. Insoweit gilt aber auch hier das zu diesem Thema bereits bei der Würdigung der Aussage des Zeugen Mau. Gesagte entsprechend. Die fehlende Erinnerung der Zeugin an den genauen Zeitpunkt mindert keineswegs den Wert ihrer Bekundungen, sondern ist eher im Gegenteil ein Zeichen für die Aufrichtigkeit der Zeugin. Sie konnte den Zeitraum der Tat lediglich dadurch markieren, dass diese sich eindeutig im Jahre 1942 und nicht etwa 1943 zugetragen hätte, dass es im Anschluss an den Winter 1942 gewesen sei, dass aber aus dem ihr noch plastisch vor Augen stehenden Bild über die Begleitumstände der Tat kein Schnee mehr gelegen habe. Diese Bezugspunkte rechtfertigen die Feststellung der oben (B III) festgehaltenen Zeitangabe.

 

Der Beobachtungsstandort der Zeugin - sie befand sich in dem Wohnhaus Gebauer und sah den Ablauf durch ein Fenster aus einer Entfernung von zwei bis drei Metern - lassen keine Wahrnehmungsfehler über den Ablauf des Geschehnisses zu. Insbesondere scheidet auch eine Verwechslung des Angeklagten mit einem anderen SS-Mann eindeutig aus. Die Zeugin kannte den Angeklagten als dessen Hausangestellte wie keiner der anderen vernommenen Zeugen. Dieser sei sogar nach der Schilderung der Zeugin im Anschluss an die Tat mit Schweiss im Gesicht in das Haus gekommen. Bei der optischen Wahrnehmung durch die Zeugin sind demnach keine Fehlerquellen ersichtlich. Von ihrem Standort aus vermochte diese ferner auch unbeeinträchtigt die zwischen dem Angeklagten, dem Getöteten und den beiden uniformierten Männern gewechselten Worte aufzunehmen.

 

Somit bleibt als Fehlerquelle bei dieser Aussage lediglich die theoretisch denkbare bewusst unwahre Anschuldigung. Die erwägenswerte, nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit, dass die wenigen überlebenden jüdischen Zeugen versuchen könnten, den noch lebenden ehemaligen SS-Führungskräften Straftaten der Wahrheit zuwider zur Last zu legen, auch wenn im Einzelfall keine eigenen Beobachtungen gemacht wurden, scheidet nach der zweifelsfreien Überzeugung des Gerichts bei der Zeugin Zel. aus. Sie hat betont, dass der Angeklagte sich ihr gegenüber stets gut verhalten hat. Sie hat diesen auch nicht als blind mordenden Unmenschen charakterisiert, im Gegenteil herausgestellt, dass er normalerweise einen Arbeiter lediglich geschlagen habe, wenn er seine Tätigkeit nicht nach den Vorstellungen des Angeklagten ausübte. Sie hat erwähnt, dass sie vom Hörensagen viel Schlimmes über Gebauer vernommen habe, aber davon nicht sprechen wolle, sondern lediglich soweit sie Augenzeugin gewesen sei. Sie hat an keiner Stelle ihrer Aussage erkennen lassen, dass sie, die wegen ihres langen Aufenthaltes in den DAW und ihres persönlichen Kontaktes zu Gebauer Gerüchte, die über diesen in Umlauf sind, gleichsam als Kronzeugin bestätigen könnte, in dieser Richtung ein schlimmes Bild von dem Angeklagten zeichnen wolle.

 

Für die Objektivität der Zeugin spricht auch, dass sie auf Fragen des Angeklagten bejahte, dass in den Anfangszeiten die von diesem im Verlaufe der Hauptverhandlung viel zitierten "Dirlewanger-Leute", als Bewachungspersonal da waren. Für jedermann im Sitzungssaal wurde bei der diesbezüglichen Fragestellung des Angeklagten erkennbar, dass es ihm bei der Erkundung nach diesen "Dirlewangern", deren Anwesenheit bisher keiner der vernommenen Zeugen ausser Mohwinkel bestätigt hatte, um ein in seinen Augen erhebliches Entlastungsmoment ging, weil er in die Fragestellung seine ganze Enttäuschung über das insoweit für die Zeit nach Weggang Mohwinkels negativ gebliebene Beweisergebnis hineinlegte und seine Verzweiflung unverkennbar war, wenn nicht zumindest ein Zeuge bereit sei, ihn in diesem Punkt zu bestätigen. Die Zeugin Zel. erklärte daraufhin, ohne dass ihr verständlicherweise der Begriff "Dirlewanger" geläufig war, es seien im ersten Jahr Leute da gewesen, die nach den Gerüchten in den DAW aus Gefängnissen entlassen worden seien, Hitler habe sie aus den Strafanstalten herausgenommen und zur Wehrmacht gesteckt, die Delikte, wegen der sie inhaftiert gewesen seien, seien keine politischen gewesen, darunter sei der "schreckliche" Koch gewesen - auf diesen stellte der Angeklagte in der übrigen Beweisaufnahme häufig ab -. Diese Charakterisierung der anfänglichen Bewacher trifft auf die "Dirlewanger" zu, die