Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.424

 

Die bereits angesprochene Übereinstimmung der Aussagen Mau. und Fru. gewinnt noch an Gewicht dadurch, dass eine Bekanntschaft zwischen beiden nicht besteht. Fru. lebt in Israel, Mau. in Deutschland. Beide kennen sich weder persönlich noch dem Namen nach. Eine Kontaktaufnahme oder gar eine Absprache zwischen beiden ist daher ausgeschlossen. Bei ihren Bekundungen in der Hauptverhandlung wusste keiner, dass der gleiche Vorfall von einem anderen Zeugen bereits geschildert war. Das von der Verteidigung ins Feld geführte Argument, dass bei jüdischen Zeugen eine Absprache untereinander zu beargwöhnen sei, kommt hier demnach nicht zum Zuge.

 

Nachdem somit durch die gegenseitige Bestätigung beide Aussagen entscheidend in ihrem Gewicht gehoben werden, verbleibt noch einzugehen auf den scheinbaren Widerspruch zwischen beiden bezüglich des Anlasses der Misshandlung des später Getöteten. Vieles spricht für die Richtigkeit der oben wiedergegebenen diesbezüglichen Angaben des Zeugen Fru. Er machte insoweit präzise Angaben, hatte auch den besseren Standort im Verhältnis zu Mau., um darüber Wahrnehmungen machen zu können, zumal Mau. lediglich seine diesbezüglichen Kenntnisse vom Hörensagen weiss. Letztlich konnte aber dahingestellt bleiben, welche von beiden Bekundungen der Wahrheit entsprechen oder ob der wahre Anlass noch eine Nuance anders lag. Eine Unzufriedenheit mit der Arbeitsweise des später Getöteten, wie sie im Sachverhalt festgehalten wurde, wird von beiden Aussagen umfasst. Sie entspricht auch dem Bild der Persönlichkeit des Angeklagten, das die Beweisaufnahme in ihrer Gesamtheit ergeben hat. Auch deutsche Zeugen wie Ble. bekundeten, dass der Angeklagte leicht erzürnte, wenn eine Arbeit nicht seinen Vorstellungen entsprechend ausgeführt worden sei. Ein anderer Anlass, als oben festgehalten, scheidet jedenfalls mit Sicherheit aus.

 

Die Feststellungen über die inneren Vorgänge bei dem Angeklagten gründen sich auf vorstehend wiedergegebenes Bild von dessen Persönlichkeit, Einstellung und Verhaltensgewohnheiten.

 

Zu erwähnen zu Fall 22 der Anklageschrift bleibt noch die Aussage des Zeugen Leon Bla. Dieser bekundete, zur Zeit seines Aufenthaltes in den DAW im Winter 1941/42 habe er beobachtet, dass der Angeklagte einen jungen Mann, der ein Stück Holz getragen habe, angeschrien habe: "Warum hast Du mich nicht gegrüsst?" Der Angeklagte habe auf den Juden mit einer Peitsche eingeschlagen, bis dieser umgefallen sei, worauf Gebauer mit den Stiefeln auf ihm herumgetrampelt sei, bis der Mann tot gewesen sei. Eine Ähnlichkeit dieser Angaben mit dem oben festgehaltenen Vorfall ist zwar nicht zu verkennen. Der Zeuge Bla. verfügte aber in sonstigen Dingen über keine klaren Vorstellungen über die damaligen Verhältnisse in den DAW, wie zahlreiche unrichtige Darstellungen bezüglich der Örtlichkeiten ergaben. Entscheidend ist aber, dass Bla. in seiner ihm vorgehaltenen polizeilichen Vernehmung vom 7.Februar 1963 bekundet hatte, er habe nie gesehen oder von dritten Personen erfahren, dass Gebauer einen Häftling getötet habe. Auf diesen Widerspruch zwischen seiner jetzigen und früheren Aussage angesprochen, stellte Bla. in Abrede, eine solche Aussage früher gemacht zu haben. Diese Erklärung ist ungenügend, zumal Bla. seine frühere Aussage unterschrieben hat. Wahrscheinlich ist, dass Bla. seit 1963 gesprächsweise von Mau. obigen Vorfall erfahren hat und ihn heute als eigene Wahrnehmung hinstellt, und zwar entweder, weil er mittlerweile selbst glaubt, er habe diesen erlebt, oder weil er, der alle seine Angehörigen damals in Lemberg verloren hat, bewusst der Wahrheit zuwider für lediglich Gehörtes als Augenzeuge auftreten möchte. Sicher an der Aussage Bla.s ist lediglich, dass er zur gleichen Zeit in den DAW war wie Mau., was dieser bestätigte. Beide kannten sich nämlich, weil sie in Lemberg in der gleichen Strasse gewohnt hatten. Sie haben in den DAW auch miteinander gesprochen, wobei aber Mau. betonte, dass Bla. nicht als Bretterträger eingesetzt gewesen sei und er auch nicht wisse, ob Bla. den obigen Vorfall beobachtet habe. Auch nach dem Krieg unterhielten Mau. und Bla. in Deutschland losen Kontakt und begegneten einander sporadisch. Dabei kam es auch einmal im Jahre 1969 zu einem Gespräch über die Lagerzeit