Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.423

 

Mann erneut nur mit einem Brett beladen vorbeigekommen sei. Den restlichen Teil des Vorfalls will der Zeuge Fru. von ausserhalb der Werkstätte, hinter einer Maschine, einem Auto oder einem Traktor versteckt, wahrgenommen haben. Bei alledem unterliegt der Zeuge insoweit einem Erinnerungsfehler, als er den Haupteingang der Autoreparaturwerkstätte an die Vorderfront dieses Gebäudes verlegt während der Eingang, wie die Einlassung des Angeklagten und die Bekundungen zahlreicher weiterer Zeugen eindeutig ergeben haben, sich an der Seite befand. Dieser Irrtum ist zwar angesichts des Zeitablaufs mehr als verständlich, würde aber, stünde Fru. mit seiner Aussage allein, geeignet sein, an dem Beweiswert seiner Angaben Abstriche zu machen.

 

b) Fru. schilderte weiter, er sei etwa im Mai 1942 an Typhus erkrankt und in ein Krankenhaus im polnischen Viertel Lembergs gebracht worden. Er habe dann für einen Zeitabschnitt von zwei bis drei Wochen das Bewusstsein verloren. Durch einen starken Strahl einer Lampe sei er im Krankenhaus wieder zum Leben erweckt worden. Von diesem Zeitpunkt an sei ihm alles wieder eingefallen, was er bis dahin erlebt habe. Er habe über die Ereignisse bis zu dem Zeitpunkt, an dem er einen LKW zum Transport in das Krankenhaus bestiegen habe, ohnehin noch ein klares Vorstellungsbild gehabt. Durch den Strahl der Lampe sei ihm aber erst wieder die Erinnerung über die Geschehnisse zwischen seinem Aufstieg an den LKW und seinem Erwachen gekommen. (Letztere Passagen entsprechen den wörtlichen Aussagen des Zeugen). Diese Darstellung spricht dafür, dass Fru. krankheitsbedingt einen zeitweisen Gedächtnisausfall hatte und das deutliche Betonen des Strahls der Lampe weist auf Fieberphantasie hin. Auch sonstige Angaben des Zeugen Fru. zu Zeitpunkten und anderen allgemeinen Vorkommnissen liessen erkennen, dass Fru. an Vergesslichkeit und Mängeln an geistiger Konzentration leidet. Zum Beispiel ist auch das unter A IV 4 a dargelegte Verschätzen bezüglich des Datums der Kasernierung der Juden in den DAW darauf zurückzuführen. Gleichwohl schilderte er viele Einzelheiten zutreffend. Er war schon zur Zeit der russischen Besetzung auf dem späteren DAW-Gelände in dem damals dort unterhaltenen Betrieb tätig. Er blieb dort ununterbrochen bis Mai 1942. Er schilderte auch einige Örtlichkeiten der DAW in Übereinstimmung mit dem sonstigen Ergebnis der Beweisaufnahme und kannte die meisten der damals anwesenden Personen. Eine Verwechslung des Lagerleiters Gebauer scheidet bei ihm auf Grund seines langen Aufenthaltes in den DAW in einem Zeitraum, als noch nicht allzu viele SS-Leute da waren, eindeutig aus. Obwohl bei seiner Aussage erkennbar wurde, dass er gegenüber dem Angeklagten noch heute eine Abneigung empfindet, spendet er ihm auch Lob. Er erklärte nämlich, Gebauer habe sich einmal menschlich gezeigt: er habe gestattet, dass er und sieben andere Facharbeiter, die wie er im Mai 1942 an Typhus erkrankt gewesen seien, auf einen LKW in ein Krankenhaus gebracht worden seien, dabei ihm durch einen SS-Mann sogar beim Aufsteigen auf den Wagen behilflich sein lassen; Gebauer selbst habe das Paket des Zeugen mit dessen Kleidern gehalten, bis er auf den LKW gelangt gewesen sei. Diese Darstellung, die sich bezüglich des Transportes von Häftlingen in ein Krankenhaus im allgemeinen mit der Einlassung des Angeklagten deckt, zeigt, dass Fru. um Objektivität bei seiner Aussage bemüht ist.

 

Trotz des bei ihm vorliegenden Merkverlustes und seiner Konzentrationsschwäche hat somit die Aussage des Zeugen Fru. - auch wenn man sie isoliert sehen würde - doch noch einen erheblichen Beweiswert.

 

Hinsichtlich des Zeugen Zwi Fru. hatte die Verteidigung beantragt, diesen zur Höhe und Berechtigung der ihm ausgezahlten Zeugenentschädigung zu vernehmen. Dieser Antrag wurde wegen fehlender Anhaltspunkte, die falsche Angaben des Zeugen im Feststellungsverfahren auch nur nahe legen, als Beweisermittlungsantrag zurückgewiesen. Die allgemeine Aufklärungspflicht des §244 Absatz 2 StPO gebietet es bei dieser Sachlage nicht, von Amts wegen den Zeugen zu diesem Thema zu vernehmen, da für das Gericht nicht erkennbar ist, dass sich dadurch Anhaltspunkte gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Fru. ergeben könnten.