Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.422

 

Fru. bezeugte den Vorfall wie folgt: Im Winter 1941/42, er glaube im Dezember 1941, habe er gesehen, dass eine grössere Zahl von Arbeitern Bretter auf dem DAW-Gelände von einem Lagerplatz zu einem anderen brachten. Der Stapel, von dem die Bretter entnommen worden seien, habe sich am Rande der in der Verlängerung des DAW-Eingangs verlaufenden Strasse befunden. Die Bretter seien an der Autoreparaturwerkstätte vorbeigetragen und in deren Nähe abgelegt worden. Als ein Jude vorbeigekommen sei, der nur ein Brett getragen habe, habe der Angeklagte diesen angeschrien und mit einem Stock oder Gummiknüppel auf ihn eingeschlagen, ihn dann aber weitergehen lassen. Als bald darauf der gleiche Arbeiter erneut mit nur einem Brett beladen vorbeigekommen sei, sei der Angeklagte wütend geworden, habe ihn angefallen und solange mit dem Gummiknüppel oder Stock auf ihn geschlagen, bis der Mann umgefallen sei. Dann habe er ihn mit Füssen getreten, habe sich mit den Stiefeln auf ihn gestellt und auf ihm herumgetrampelt. Entweder sei der Koch Paul zufällig vorbeigekommen oder er habe den Vorfall aus der in der Nähe liegenden Küche beobachtet, jedenfalls habe der Koch einen Eimer Wasser genommen und ihn über den Mann ausgegossen. Beide, der Angeklagte und der Koch, hätten den am Boden Liegenden nochmals getreten und auf ihn eingeschlagen. Dann habe sich der Angeklagte so lange mit den Stiefeln auf Kopf und Hals des am Boden Liegenden gestellt, bis dieser aufgehört habe, sich zu rühren. Während des ganzen Vorfalls seien ständig andere Bretterträger vorbeigegangen. Der Angeklagte habe anschliessend Häftlingen befohlen, die Leiche wegzubringen. In der Nähe der Küche habe er (Fru.) später den Leichnam des Mannes liegen sehen.

 

Der Vergleich der Schilderungen des Vorfalles durch die Zeugen Mau. und Fru. zeigt nach Überzeugung des Gerichts eindeutig, dass beide das gleiche Ereignis wiedergeben. Der äussere Handlungsablauf wurde in seinen wesentlichen Bestandteilen deckungsgleich berichtet. Die Art der Betätigung des Angeklagten und des anderen Aufsehers stimmen ebenfalls überein, wobei es nicht verwunderlich ist, dass der Zeuge Mau. den zweiten Mann nicht als den Koch Paul bezeichnet, da es nahe liegt, dass Mau. in den zwei Tagen seines Aufenthaltes in den DAW Funktion bzw. Namen dieses Deutschen nicht in Erfahrung brachte. Wenn der Zeuge Fru. zusätzlich zu der Aussage Mau. zu wissen glaubt, dass der Koch Paul einen Eimer Wasser über das am Boden liegende Opfer gegossen habe, so spricht dies nicht dagegen, dass beide Zeugenaussagen sich auf den gleichen Vorfall beziehen. Einmal ist es durchaus möglich, dass Mau. diese Handlungsweise nicht wahrnahm, weil sie sich abgespielt haben konnte, als er bei seinen Arbeitsgängen zwischen den beiden Holzplätzen dem Ort des Vorfalls den Rücken zudrehte. Zum anderen könnte es auch sein, dass Fru. diesen Umstand in seiner Erinnerung falsch behalten hat. Fru. bekundete nämlich, es sei typisch für den Koch Paul gewesen, dass er einen Eimer Wasser über Juden goss. Es wäre demnach durchaus verständlich, wenn der an Konzentrationsmängeln leidende Fru. diese ihm in Erinnerung gebliebene charakteristische Handlungsweise des Koches Paul durch ihm unbewusst bleibende Gedankenassoziationen auf den Vorfall überträgt. Da schliesslich auch die Zeitangaben beider Zeugen, soweit ihnen eine ungefähre Fixierung überhaupt noch möglich ist, und auch die Darstellung des Ortes des Geschehens überstimmen 215, bleiben keine vernünftigen Zweifel mehr daran, dass beide Zeugenaussagen den gleichen Vorfall wiedergeben.

 

Würde man die Bekundungen des Zeugen Fru. isoliert von denen des Zeugen Mau. betrachten, so wären zweierlei Momente geeignet, seiner Aussage - stünde diese allein - mit Vorsicht zu begegnen:

 

a) Fru. sagte aus, er habe, als der Vorfall begonnen habe, in der Autoreparaturwerkstätte drinnen gestanden, Gebauer sei in die Garage hereingekommen, nachdem er den Arbeiter zum ersten Mal angeschrien und geschlagen gehabt habe, wo er abgewartet habe, bis der

 

215 Richtig wohl: übereinstimmen.