Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.414

 

Psychiatrie, Heidelberg, 1970, S.52). Ob bei Ka. sich ein solcher Verdrängungsprozess vollzogen hat, der ihn Ausschreitungen von Deutschen gegenüber Juden und damit auch die Behandlung der Juden in den DAW zwischenzeitlich vergessen liess, oder ob er bewusst mit der Wahrheit zurückhält, kann letztlich dahingestellt bleiben, jedenfalls wirkten die gesamten Bekundungen dieses Zeugen auf das Gericht keineswegs überzeugend.

 

Offensichtlich bemüht, dem Gericht klarzumachen, sie habe wegen der verflossenen fast 30 Jahre keine klare Erinnerungen an die damaligen Vorkommnisse mehr, war die Zeugin Elisabeth Han. Sie war die damalige Ehefrau von Willhaus und lebte mit diesem während dessen Aufenthaltes in den DAW bis Sommer 1942 in den DAW, anschliessend wohnte sie im ZAL. Sie könne sich, so führte sie aus, nicht mehr daran erinnern, ob die Juden während ihres Aufenthaltes in den DAW bereits kaserniert gewesen seien. Auch habe sie von Tötungen in den DAW weder etwas gesehen noch etwas davon gehört. Bei der Zeugin Han., die im Stuttgarter Lemberg-Verfahren 211 angeklagt ist, gegen die das Verfahren aber wegen Verhandlungsunfähigkeit vorläufig eingestellt ist, wurde das Bemühen offenbar, sich hinter Gedächtnislücken zu verschanzen. Auch von Misshandlungen der jüdischen Häftlinge im ZAL wisse sie nichts. Demgegenüber hat die Zeugin Maria Gr., auf deren übrige Aussage wie auch die ihrer Schwester Elfriede Gr. noch einzugehen sein wird, bekundet, bei einer Einladung zum Kaffee in der Wohnung Willhaus im Juli/August 1942 habe dieser an dem Tisch, an dem auch seine Ehefrau gesessen habe, mit der an den Vater Gr. gerichteten Bemerkung Platz genommen: "Max, ich habe soeben fünf Juden umgelegt". Bei dieser von der Zeugin Gr. selbst erlebten Äusserung und der erwiesenen allgemeinen Verhältnisse im ZAL bleibt bei der Zeugin Han. zwar die Möglichkeit, dass sie die ihr unangenehmen Erlebnisse aus DAW und ZAL zwischenzeitlich verdrängt hat, weit wahrscheinlicher ist aber, dass sie bewusst die Unwahrheit sagt. Ihre Bekundungen sind jedenfalls nicht geeignet, den Angeklagten zu entlasten.

 

Der Zeuge Mo. war von Dezember 1942 bis zur Schliessung der DAW mit einer Unterbrechung von ca. 2-3 Monaten, die in den Sommer 1943 fiel, in den DAW. Ab Januar 1943 war er Leiter der Bauabteilung. Er bekundete, Misshandlungen und Tötungen von Juden seien in den DAW nicht vorgekommen. An vielen Stellen seiner Aussage trat ein Solidaritätsgefühl mit dem Angeklagten deutlich zu Tage. Er führte zum Beispiel aus: "Man will uns jetzt der Wahrheit zuwider Tötungen anhängen." Mo. scheute sich auch nicht, bewusst die Unwahrheit zu sagen. So stellte er einen 1961 erfolgten Besuch des Angeklagten bei ihm in seiner Wohnung in Abrede, offensichtlich, weil er glaubte, dieser Umstand lasse den Angeklagten in schlechterem Licht erscheinen. Während er bei seiner ersten Vernehmung in der Hauptverhandlung im Oktober 1970 noch darlegte, Gebauer habe einen Befehl Katzmanns in den DAW weitergegeben und einen Juden, der Wolle gestohlen hätte, erhängen lassen, erklärte er bei seiner erneuten Vernehmung im Februar 1971, es sei möglich, dass Gebauer bei diesem Erhängungsfall gar nicht in den DAW gewesen sei, sondern, dass ein Oberscharführer namens Besau die Erhängung habe durchführen lassen. Er habe als Saarländer die Prozessberichte in den Tageszeitungen über das laufende Verfahren verfolgt. Als einmal darin erwähnt gewesen sei, Besau sei zeitweise Vertreter des Angeklagten gewesen, habe er sich erinnert, dass dieser Besau bei dem Erhängungsfall zugegen gewesen sein könne. Mo., der erst im Dezember 1942 nach Lemberg kam, konnte aber Besau nie in den DAW erlebt haben, da dieser den Angeklagten lediglich von Juni bis August 1942 vertreten hat und später nicht mehr in den DAW war. Ausserdem bekundete Mo. im Oktober 1970, jüdische Häftlinge hätten ihm damals erzählt, die Mutter des Vorarbeiters Schä. sei von Askaris nach der Flucht ihres Sohnes abgeholt worden und ins ZAL gebracht worden. Im Februar 1971 erklärte er, er habe selbst gesehen, dass Askaris die Mutter Schä. abgeholt hätten. Diese « aus

 

211 Siehe Lfd.Nr.671.