Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.412

 

dass in den DAW Misshandlungen und Tötungen vorgekommen sind. Von den Zeugen, die zu den Fällen der Anklage gehört wurden, soll beispielsweise an dieser Stelle lediglich der Zeuge Dr. Leon Wel. herangezogen werden, der bei seiner Aussage sehr vorsichtige Angaben insoweit machte, als eine Verwechselung des Angeklagten mit einem anderen SS-Mann als Täter der von dem Zeugen beobachteten Misshandlungen und Tötungen denkbar bleibt, und dessen gleichwohl gemachten konkreten Beschuldigungen bezüglich Gebauer gerade wegen dieser Zurückhaltung an Bedeutung gewinnen. Wel. bekundete, dass er gesehen habe, dass Gebauer einen auf einer Latrine sitzenden Häftling mit einer Peitsche schwer geschlagen habe. Am nächsten Morgen sei dieser Häftling tot gewesen. Charakterisiert werden die Zustände in den DAW durch die weitere Aussage von Wel., er habe, als er in der Glaserei beschäftigt gewesen sei, bei jedem Gang durch die DAW eine Scheibe Glas mit sich getragen, da er dann von den häufigen willkürlichen Misshandlungen sicher gewesen sei, weil die Aufseher vor einem Bruch des "wertvollen Glases" zurückschreckten.

 

Einen Erschiessungsfall in den DAW schilderte auch der in Washington vernommene Zeuge Rubin Dan. Nach dessen Angaben hat der SS-Mann M. 207 im Mai 1943 den Bruder des Zeugen erschossen, als er auf einem Abfallhaufen in den DAW nach etwas Essbarem suchte. Diese Schilderung erscheint glaubhaft, weil die Tötung eines solch nahen Angehörigen sich im Gedächtnis des Augenzeugen Dan., auch wenn dieser sonstige schreckliche Erlebnisse durchgemacht hat, klar einprägt und auch nach fast 30 Jahren nicht an Deutlichkeit verliert. Für die subjektive Ehrlichkeit des Zeugen spricht, dass er den Angeklagten mit diesem Vorfall nicht in Verbindung bringt, obwohl er weiss, dass der Täter M. tot ist. Tötungen und Misshandlungen auf dem Gelände der DAW schilderte auch der Zeuge Adolf Kol. 208, der im Frühjahr 1942 für einige Monate als Leiter der Wachmannschaft in den DAW tätig war. Er bekundete, dass Willhaus auf DAW-Gebiet einen oder zwei Juden erschiessen liess und auch Juden mit der Peitsche misshandelte.

 

Ausser durch die vorstehend als glaubwürdig erachteten Augenzeugen wird das Überzeugungsbild über die allgemeinen Verhältnisse in den DAW abgerundet durch die glaubhaften Angaben der Zeugen Seev Por. und Josef Shr., die vom Hörensagen damals in Lemberg von ihnen zuverlässig erscheinenden Augenzeugen die Verhältnisse in den DAW im obigen Sinne geschildert bekamen. Auch der deutsche Zeuge Heinz Web. 209, der 1941/42 Leiter des Arbeitsamtes in Lemberg war, bekundete, die Verhältnisse des Janowska-Lagers seien von den Juden schon gefürchtet gewesen, als das ZAL noch nicht bestanden habe.

 

Die den Angeklagten teilweise erheblich belastenden Aussagen der nachfolgend aufgeführten Zeugen wurden bei der Überzeugungsbildung des Gerichts ausser Betracht gelassen, da teils wegen grösserer Widersprüche zu eigenen früheren Angaben, teils wegen bei der Vernehmung zu Tage getretener stark affektiver Einstellung oder auch wegen offenbar gewordener Gedächtnislücken nach dem Eindruck des Gerichts ihren Bekundungen kein Beweiswert beigemessen werden kann. Es handelt sich dabei um die Zeugen Leon Bla., Bronislawa Jol., Abraham Sz., Morris Neb., Abraham Gol., Emanuel Bra., David Ben Thü., Miriam Fri., Zygmunt Br., Dagobert Fe., Zygmunt Kre.

 

Bei der Überzeugungsbildung über die Verhaltensweise des Angeklagten gegenüber jüdischen Häftlingen wurden auch die verlesenen belastenden Aussagen der verstorbenen bzw. unerreichbaren Zeugen Dr. Wilhelm Bi., Jakob Gru., Wolf Schä., Paula Spi., Izchak Fer., Stanislawa Gog. ausser Betracht gelassen, da deren Bekundungen sich zwar mit dem Verhalten

 

207 Siehe Lfd.Nr.166.

208 Siehe Lfd.Nr.671.

209 Siehe Lfd.Nr.671.