Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.410

 

verfrachtet worden. Er habe sich sofort dorthin begeben und diese Leute in die DAW zurückgeholt. Ihm sei gesagt worden, die Eisenbahnwagen gingen nach Deutschland. Das habe er damals für die Wahrheit gehalten; keineswegs habe er gewusst, dass die Insassen in Vernichtungslager gebracht würden.

 

Auch zu den "einfachen" jüdischen Arbeitskräften habe er kein schlechtes Verhältnis gehabt. Er sei um deren Wohl und insbesondere ihre Gesundheit besorgt gewesen. Solange der Judenrat bestanden habe, sei er zweimal in der Woche dorthin gefahren, um Verpflegung und Textilien für sie zu besorgen. Er habe persönlich erkrankte Arbeitskräfte ins jüdische Krankenhaus in Lemberg gebracht bzw. dahin bringen lassen, sie dort besucht, sich bei dem jüdischen Arzt Dr. Kurzerock, mit dem er gut bekannt gewesen sei und zu dem er häufig persönliche Kontakte gepflegt habe, nach ihrem Gesundheitszustand erkundigt und sie teilweise nach ihrer Genesung persönlich im Krankenhaus abgeholt.

 

Er habe selbst höchstens Backpfeifen ausgeteilt; z.B. einmal, weil ein Jude einem anderen ein Paar Schuhe gestohlen gehabt habe. Der deutsche Vorarbeiter der Schmiede namens Röhrich habe dagegen häufiger Häftlinge mit einem Holzstock geprügelt, weshalb er ihn öfters zur Ordnung gerufen habe. Auch habe der SS-Unterscharführer M. 205 manchmal ohne seine Billigung Häftlinge der DAW geschlagen. Zu Ausschreitungen gegenüber Juden hätten insbesondere die etwa sieben Angehörigen des Kommandos "Dirlewanger", die in die DAW abgeordnet gewesen seien, geneigt. Diese hätten zu Anfang, als Mohwinkel 206 noch Leiter der DAW gewesen sei, Peitschen gehabt und damit Juden misshandelt. Mohwinkel habe deshalb in seiner Gegenwart einmal den Anführer der "Dirlewanger" zur Rede gestellt und ihm erklärt, was seine Leute tun würden, müssten sie eines Tages verantworten. Die Namen von Angehörigen dieser Truppe "Dirlewanger" kenne er heute nicht mehr alle, er wisse nur noch, dass einer Kaminski geheissen habe, einer Hesler oder Besler, ein dritter Schippe oder Schwippke; schliesslich habe der von der Zeugin Zel. erwähnte Lowitz dazu gehört. Diese "Dirlewanger" habe er nach Weggang Mohwinkels ihrer Funktionen in den Werkstätten enthoben. Sie seien aber bis zum Ende der DAW als Bewacher geblieben. Einer von ihnen habe kurz nach der Kasernierung der Häftlinge in den DAW im November 1941 eine Frau erschossen, die ihrem Mann etwas durch den Zaun habe reichen wollen. Ausser diesem Vorfall sei niemand auf DAW-Gelände erschossen worden.

 

Er wisse von einer Erhängung auf DAW-Gelände. Eines Tages sei er mit dem Wagen aus der Stadt gekommen und habe auf dem DAW-Gelände eine Menge Leute herumstehen sehen. An einem Mast sei ein Jude aufgehängt gewesen. Auf seine Frage hin habe man ihm erklärt, der Jude sei wegen eines Diebstahls auf Anordnung des SS- und Polizeiführers Katzmann aufgehängt worden. Er habe sich darum bemüht, dass der tote Jude sobald wie möglich abgehängt würde. Erst am dritten Tag habe er dies erreicht.

 

Ausser diesen Fällen sei es auf DAW-Gelände zu keinen Tötungen von Juden gekommen, jedenfalls nicht während seiner Anwesenheit. Er glaube auch nicht, dass während seiner Abwesenheit Tötungen vorgekommen seien, könne dies aber nicht mit Sicherheit ausschliessen.

 

Er selbst habe nie einen Menschen misshandelt, gewürgt oder gar getötet. Die belastenden Aussagen könnten nur auf einem Irrtum beruhen. Heute lege man jede Ohrfeige als Erwürgen und jeden Fusstritt als "Kehletreten" aus. Er habe sich an nichts beteiligt, sich vielmehr in seinem ganzen Leben - auch in der Lemberger Zeit - untadelig benommen.

 

205 Siehe Lfd.Nr.166.

206 Siehe Lfd.Nr.813.