Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.408

 

Bei der Bewertung der Zeugenaussagen verblieben unter Beachtung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der daraus gewonnenen Umstände, die einzelne Zeugenaussagen bestärkten und unterstützten, keine besondere Unklarheiten, so dass dem weiteren Antrag der Verteidigung (Bl.567-568 des Protokolls) von jedem der darin aufgeführten 19 Zeugen ein "psychiatrisches-psychologisches Glaubwürdigkeitsgutachten" einzuholen ebenfalls nicht stattgegeben zu werden brauchte (s. Beschluss Bl.566 des Protokolls).

 

Schliesslich sei noch darauf eingegangen, ob eine Einwirkung auf Zeugen durch Angehörige der Untersuchungsstelle für NS-Gewaltverbrecher im Landesstab der Israel-Polizei in Tel Aviv, wie sie von der Verteidigung vermutet wird, vorgelegen hat. Eine solche scheidet aber nach der Überzeugung des Gerichts mit Sicherheit aus: Zu dieser Frage wurde der Zeuge Magister Juris Eugen Lan. vernommen, der seit 1960 Untersuchungsreferent in der Abteilung für Aufklärung von NS-Verbrechen des Landesstabes der Polizei in Tel Aviv ist und unter anderem speziell den "Komplex Lemberg" bearbeitet. Lan. bekundete glaubhaft, dass weder er noch ein sonstiger Angehöriger seiner Dienststelle mit Zeugen, die aus Israel zu einer Hauptverhandlung nach Deutschland fahren, über deren Aussage spreche. Dies sei jedem Mitglied seiner Behörde streng untersagt. Auch bemühe er sich bei jeder Vernehmung, die er in Israel durchführe, um grösste Objektivität. Gerade weil er Jude sei und deshalb bei ihm eine subjektive Färbung bei der Vernehmung denkbar wäre, sei er bestrebt, die Aussagen von Zeugen, die er im Ermittlungsverfahren vernehme, völlig unentstellt zu protokollieren; er bemühe sich dabei darum "päpstlicher zu sein als der Papst". Er führte auch einige Beispiele an, bei denen er Entlastungszeugen für deutsche Angeklagte, gegen die schwere Beschuldigungen erhoben worden seien, in Israel ausfindig machte und deren Bekundungen an die deutschen Strafverfolgungsbehörden übersandte, bzw. er als Zeuge vor einem deutschen Schwurgericht aussagte, dass belastende Angaben von ihm vernommener Zeugen in der Hauptverhandlung in erheblichem Widerspruch stünden zu deren früheren Bekundungen bei ihm. Diese Charakterisierung seiner Arbeitsweise fand das Gericht auch bei den von Lan. vorgenommenen Vernehmungen in diesem Verfahren bestätigt. Im Wege des Vorhaltes an die betreffenden Zeugen und deren anschliessende Bestätigung wurden Teile mehrerer von Lan. protokollierter früherer Zeugenaussagen in die Hauptverhandlung eingeführt. Dabei wurde offenbar, dass die Aussagen unverfälscht in das Protokoll aufgenommen wurden, auch wenn deren Unwahrscheinlichkeit und Widersprüchlichkeit in sich selbst bzw. zu sonstigen Aussagen evident waren.

 

Rechtsanwalt Mer. hat zwar als Zeuge bekundet, Lan. habe während der Vernehmung von Zeugen vor dem israelischen Gericht in Tel Aviv am 1.April 1971 ihm sinngemäss zugeflüstert, "mit dem Prozess sei es schlecht, die Zeugen seien noch nicht gut genug vernommen worden". Mer. folgerte als Zeuge daraus, Lan. habe damit gemeint, mit dem Ausgang des Prozesses im Sinne einer Verurteilung sei es aus der Warte des Zeugen Lan. schlecht, weil die Zeugen von diesem noch nicht eingehend genug vernommen worden seien. Lan. bekundete hierzu als Zeuge, eine Äusserung in diesem Sinne habe er niemals gegenüber Rechtsanwalt Mer. gemacht. Abgesehen davon, dass die von Mer. wiedergegebene Äusserung keineswegs die von diesem vorgenommenene Folgerung gebietet, glaubt das Gericht auf Grund der Vernehmung des Zeugen Lan., dass Rechtsanwalt Mer. eine belanglose Bemerkung Lan.s allgemeiner Art missverstanden hat, zumal der Satz während der Vernehmung der Zeugin Jan. im Flüsterton gefallen sein soll, was die Gefahr der falschen Aufnahme des Gesagten erhöht.

 

Nach alledem hält das Gericht die Vermutung der Verteidigung, aus Israel anreisende Zeugen seien von der genannten Dienststelle in Tel Aviv auf ihre Aussage vorbereitet und beeinflusst bzw. die Angaben der Zeugen seien schon bei ihrer Protokollierung im Ermittlungsverfahren entstellt worden, für eindeutig unzutreffend. Gerade der Umstand, dass die Aussagen der Zeugen aus Israel hinsichtlich konkreter Einzeltaten in keinem Fall deckungsgleich sind oder auch nur einen Tathergang in etwa übereinstimmend schildern, spricht ebenfalls gegen