Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.404

 

Tischlerei Beschäftigten sich ihr zu nähern wagte. Dann wurde sie von anderen Arbeitern weggebracht.

 

Der Angeklagte tötete Dr. Luchs bewusst und gewollt, weil dieser in seinen Augen "ein Faulenzer" war, der sich in der Tischlerei aufgehalten hatte, statt im Freien zu arbeiten.

 

V. Sonstige vorstehende Fälle betreffende Feststellungen

 

1. In allen 3 festgestellten Fällen fühlte sich der Angeklagte als Inhaber der schrankenlosen Gewalt über die ihm ausgelieferten Häftlinge. Nachdem jeder von ihnen ihm Anlass zu einem gewissen Unwillen über ihre Verhaltensweise gegeben hatte, nutzte er seine faktische Stellung als allein massgebliche Person auf dem DAW-Gelände dazu aus, mit jedem der 3 Männer so willkürlich zu verfahren, als sei er Herr über ihr Leben und ihren Tod. Dieser Beweggründe war er sich auch im Augenblick der Taten bewusst.

 

2. Ihm fehlte aber zur Tatzeit keinesfalls das Bewusstsein, dass die Tötung der 3 Juden unrechtmässig war.

 

3. Bei den oben festgestellten Tötungsfällen lag bei dem Angeklagten keinerlei Störung oder Einengung seines Bewusstseins vor. Krankhafte Störungen seiner Geistestätigkeit oder Geistesschwäche zur Tatzeit waren ebensowenig gegeben. Er war auch in der Lage, entsprechend seiner Einsicht in das Unerlaubte seiner Handlungsweise sein Verhalten einzurichten.

 

4. Der Angeklagte handelte in allen 3 Fällen aus eigener Initiative. Ihm waren von keiner Seite Befehle oder Anweisungen erteilt worden, in solchen Situationen zu töten.

 

VI. Fall 21 der Anklageschrift

 

Im Juni 1943 war an einem Vormittag eine grössere Anzahl von Frauen auf einem freien Platz in den DAW in Richtung des sich westlich anschliessenden ZALs in Reihen angetreten. Es handelte sich nicht um bis dahin in den DAW beschäftigt gewesene Arbeiterinnen, sondern um eine Gruppe von Frauen, die von ausserhalb in die DAW gebracht worden waren. Aus diesen Frauen wollte der Angeklagte solche aussuchen, die ihm als Arbeiterinnen für die DAW-Werkstätten verwendbar erschienen. Der Rest sollte abgeführt werden, entweder ins ZAL oder sonstwohin. Da den versammelten Frauen bewusst war, dass sich bei dieser Aussortierung ihr Schicksal entscheidete - damals war bereits allgemein bekannt, dass Juden in Vernichtungslager gebracht wurden -, herrschte unter der Ansammlung eine grosse Unruhe und Spannung. Der Angeklagte rief immer wieder einzelne Frauen aus den Reihen heraus, die aber seine Befehle nicht stets befolgten, weil sie unsicher waren, ob dieses Herausrufen die rettende Auswahl als Arbeiterin oder gerade das Gegenteil bedeutete. Verwirrung entstand ferner einmal, weil zwei Frauen - vermutlich Mutter und Tochter - sich nicht voneinander trennen wollten. Es kam auch zu blossen Missverständnissen dergestalt, dass an Stelle der vom Angeklagten angerufenen Frau eine andere sich angesprochen fühlte und aus der Reihe trat. Der Angeklagte reagierte auf solches Fehlverhalten sehr verärgert; er regte sich stets auf, wenn er von einer angesprochenen Person nicht verstanden wurde. Schliesslich schälte sich trotz der nach wie vor bestehenden gewissen Unordnung heraus, dass auf der einen Seite eine Gruppe von jüngeren, auf der anderen eine solche von älteren Frauen standen. Den in letzterer Abteilung eingereihten Jüdinnen war dadurch erkennbar, dass sie nicht zu dem Block der für die DAW bestimmten Arbeiterinnen ausgewählt waren. So versuchten einige, von der Gruppe der älteren zu der der jüngeren Frauen überzulaufen. Da ausser dem Angeklagten nur noch ganz wenige Aufsichtspersonen anwesend waren, gelang es diesen trotz ihres ständigen Bemühens angesichts der grossen Ansammlung von Frauen nicht, die beiden Gruppen auseinanderzuhalten, Ordnung zu bewahren und ein Durcheinanderlaufen der Frauen zu vermeiden. Der Angeklagte ging nun zu einer bestimmten Frau hin und führte sie