Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.401

 

Das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und Willhaus war schon bald nach dessen Ankunft ziemlich gespannt. Es besserte sich auch nicht, als Willhaus die DAW verlassen hatte und selbständiger Leiter des benachbarten ZAL geworden war. Zwischen beiden kam es häufiger zu Auseinandersetzungen, insbesondere deshalb, weil Willhaus die besten Arbeitskräfte für sich behalten wollte. Der Angeklagte beanstandete auch, dass Willhaus die in den DAW beschäftigten Arbeiter schon mehrere Stunden vor Arbeitsbeginn aufstehen liess, was ihre Arbeitskraft minderte. Ferner verwahrte er sich - aber ohne Erfolg - z.B. dagegen, dass Willhaus in den DAW tätige Schneider zum Backstein- und Ziegelschleppen nach Arbeitsschluss und an Samstagen einsetzte, wodurch deren Hände aufgerauht wurden, was ihre Leistungsfähigkeit bei Schneiderarbeiten beeinträchtigte.

 

Der Angeklagte hatte im ZAL keinerlei Befugnis. Er war wegen seiner Differenzen mit Willhaus zudem nicht allzu häufig auf dem Gelände des ZAL.

 

Im November 1943 erlag der Betrieb der DAW, da nach der Liquidation der jüdischen Insassen des ZAL keine Arbeitskräfte mehr zur Verfügung standen. Der Angeklagte wurde einige Zeit später nach Lublin versetzt, wo er Leiter der dortigen DAW wurde.

 

Die Feststellungen über das tägliche Zuführen der DAW-Arbeiter aus dem ZAL in die DAW und deren Zählung beruht auf den diesbezüglichen glaubhaften Schilderungen des Zeugen Kol., die bestätigt wurden durch einen Teil der vernommenen jüdischen Zeugen und in Einklang stehen mit der Einlassung des Angeklagten.

 

Das Gericht folgt ferner uneingeschränkt der Einlassung des Angeklagten, er habe auf dem ZAL-Gelände keinerlei Befugnisse gehabt. Eine offizielle Funktion des Angeklagten im ZAL ist angesichts der räumlichen und insbesondere der aufgabenmässigen Trennung zwischen ZAL und DAW, in Anbetracht seiner Stellung als Leiter eines Wirtschaftsbetriebes, der der Berliner Zentrale der DAW unterstand, und im Hinblick auf an keiner Stelle der Beweisaufnahme zu Tage getretene Beziehungen zu dem bei der Vergabe solcher Zuständigkeiten allmächtigen SS- und Polizeiführer Katzmann ausgeschlossen.

 

Wenn der Angeklagte sich dahin eingelassen hat, vor ihrer Kasernierung im Frauenlager des ZAL seien nie Frauen direkt aus dem Ghetto in die DAW gekommen, so steht dies den getroffenen Feststellungen nicht entgegen. Denn er hat an dieser seiner Einlassung nicht uneingeschränkt festgehalten. Anlässlich der Vernehmung der Zeugin Sofia Fru. nahm der Angeklagte zu der Frage Stellung, ob und in welcher Form Appelle auf dem Gelände der DAW abgehalten wurden. Hierbei erklärte er ausdrücklich, es seien keine Appelle abgehalten worden, lediglich die Frauen aus dem Ghetto seien bei ihrem Eintreffen morgens gezählt worden. Schon hieraus geht hervor, dass tatsächlich eine Zeit lang Frauen morgens aus dem Ghetto in die DAW kamen. Darüberhinaus geht dies aber auch eindeutig aus der Aussage des Zeugen Ka. hervor, der als SS-Mann im März/April 1943 nach Lemberg kam und den DAW zugeteilt war. Ka. bekundete, er habe bis zur Ghettoliquidierung täglich morgens etwa 300 bis 350 Frauen und Männer am Ghetto abgeholt und in die DAW gebracht, diese Arbeiter und Arbeiterinnen habe er abends wieder in das Ghetto zurückgebracht.

 

Die Angaben über die Entwicklung der DAW basieren auf der glaubhaften Einlassung des Angeklagten, die insoweit von zahlreichen Zeugen bestätigt wurde. Das gleiche gilt für die Darstellung seines Verhältnisses zu Willhaus.

 

7. Abwesenheiten des Angeklagten von der DAW

 

Zu folgenden Zeiten war der Angeklagte nicht in den DAW anwesend: im März 1942 für 1 Woche (Reise nach Berlin), im April 1942 für 1 Woche (Reise nach Königsberg), um den Fronleichnamstag 1942 (4.Juni) für 4 Tage (Fahrt nach Potkamin), von Juni bis August 1942