Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.397

 

DAW zu besorgen. Zwischen August 1941 und März 1942 war der Angeklagte nämlich ständig in Lemberg gewesen. Durch dessen Einlassung wird somit die Aussage des Zeugen Ble. betreffend den Ankunftszeitraum von Willhaus, wie er oben festgestellt ist (März/April 1942) eindeutig gestützt.

 

5. « Das Zwangsarbeitslager Lemberg »

 

a) Das ZAL Lemberg

 

Das ZAL, das von den Juden in Lemberg meist Janowska-Lager genannt wurde, beherbergte ausser den in den DAW beschäftigten Arbeitern noch eine grössere Zahl von Häftlingen, die tagsüber als Arbeitskolonnen in Lemberg eingesetzt wurden. Die Zahl der Lagerinsassen wuchs schnell. Im Jahre 1943 waren mehrere Tausend Juden im ZAL untergebracht. Eine gewisse Sonderstellung unter den Häftlingen im ZAL genossen die Mitglieder des technischen Büros, dessen Leiter der jüdische Ingenieur Gryffel war. Im technischen Büro war auch der Zeuge Por. beschäftigt. Alle anderen Häftlinge waren täglich der Gefahr ausgesetzt, ihr Leben zu verlieren. Am meisten gefürchtet waren die morgendlichen Appelle, die grösstenteils von dem Lagerleiter Untersturmführer Willhaus selbst abgehalten wurden. Dabei kam es häufig zu "Selektionen" von Häftlingen, die in der Weise vorgenommen wurden, dass Willhaus oder in seiner Abwesenheit sein jeweiliger Vertreter die angetretenen Kolonnen an sich vorbeilaufen liess. Wer bei diesen sogenannten Probeläufen nicht mit den anderen mithalten konnte, wurde aus der Kolonne herausgezogen und zur Seite geführt. Die auf diesem Weg als weniger arbeitsfähig aussortierten Juden wurden anschliessend entweder auf einem Hinrichtungsplatz im ZAL oder in den sogenannten Sandhügeln (polnisch: Piaski), die hinter dem ZAL lagen, erschossen. Die Zahl der an einem Morgen aussortierten und anschliessend getöteten Häftlinge schwankte: manchmal waren es 4-5, manchmal 10-12. Auch tagsüber waren die Häftlinge des ZAL ständig Schikanen (Schlagen, Treten, Schiessen knapp an ihrem Körper vorbei) von Seiten der Bewacher ausgesetzt. Es kam vielfach zu willkürlichen Tötungen von einzelnen Lagerinsassen durch Willhaus bzw. durch im ZAL tätige SS-Angehörige, wobei der Hergang der Tötungen oft den in der Anklageschrift beschriebenen Handlungen ähnlich war. - Nach Arbeitsschluss in den DAW wurden die Häftlinge, die im ZAL untergebracht waren, von dort aus öfters zum Bahnhof Kleparow geschickt, um von diesem auf Anordnung von Willhaus Bretter, Balken und Ziegel zum ZAL zu tragen. Bei diesen im damaligen Sprachgebrauch "Vitaminaktionen" genannten Arbeitsgängen geschah es häufig, dass Häftlinge von Bewachern des ZAL geschlagen, getreten und auch getötet wurden.

 

b) Seine Funktion im Rahmen der Judenverfolgung im Lemberg

 

Das ZAL war ab August 1942 in das vom SS- und Polizeiführer in Lemberg, Katzmann, durchgeführte Programm der Judenvernichtung eingespannt:

 

c) Durchführung der "Endlösung" in Lemberg

 

Nach dem Einzug der Deutschen in Lemberg Ende Juni 1941 lebten in der ca. 500.000 Einwohner zählenden Stadt etwa 120.000 bis 150.000 Juden. Die restliche Einwohnerzahl setzte sich aus Polen und Ukrainern zusammen. Schon im Juli 1941 kam es zum ersten Pogrom, bei dem mehrere Tausend Juden getötet wurden. Diese Ausschreitungen sind überwiegend den ukrainischen Einwohnern von Lemberg zuzuschreiben, die zur Vergeltung für den angeblich von Juden ermordeten Ukrainer Petljura über mehrere Tage hinweg ihre Rache an den jüdischen Einwohnern Lembergs ausliessen (sog. Petljura-Aktion). Bald darauf wurde von deutscher Seite Arbeitszwang für alle Juden eingeführt und ihnen auferlegt, eine Armbinde mit dem Davidstern zu tragen. Federführend bei diesen Anfängen der "Endlösung" der Judenfrage im Distrikt Galizien, das seit den 1.August 1941 dem Generalgouvernement eingegliedert worden war, war der SS- und Polizeiführer (= SSPF) in Lemberg,