Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.396

 

Im Mai oder spätestens Anfang Juni 1942 erhielt Willhaus, der mit dem SS- und Polizeiführer in Lemberg, Katzmann, Kontakt aufgenommen und sich dessen Vertrauen erworben hatte, von diesem den Auftrag, in unmittelbarer Nähe der DAW ein Zwangsarbeitslager (= ZAL) aufzubauen. Willhaus liess zunächst mit einem Teil der in den Baracken der DAW untergebrachten Arbeiter eine auf dem Nachbargelände bis dahin unbenutzt stehende Scheune ausbauen. Im Sommer, spätestens im Spätsommer 1942 wurden dort die bis dahin in den DAW untergebrachten Juden - ausser den in Steinhäusern mit ihren Familien wohnenden jüdischen Führungskräften - kaserniert. In der Folgezeit liess Willhaus weitere Unterkunftsbaracken und auch zahlreiche Werkstätten in der Nähe der alten Scheune errichten. Bald darauf wurde das Zwangsarbeitslager von den DAW durch einen Zaun abgetrennt. Die in den DAW beschäftigten Häftlinge wurden morgens in diese geführt und kehrten abends wieder in das ZAL zurück. Meistens nahmen sie auch das Mittagessen im ZAL ein.

 

Die Feststellungen über die Entwicklung der DAW von November 1941 bis zur Unterbringung der Häftlinge im Sommer 1942 im ZAL beruhen auf den Angaben des Angeklagten. In einem Punkt hat er seine Einlassung, die er zu Beginn der Hauptverhandlung gemacht hatte, gegen Ende der Beweisaufnahme wieder abgeschwächt. Während er im September 1970 erklärte, er sei nach dem Weggang Mohwinkels der alleinige Leiter der DAW gewesen, gab er in seiner Einlassung am 30.März 1971 und 1.April 1971 an, für die Bewachung der Unterkunftsbaracken und für alle mit der Kasernierung der Juden zusammenhängende Fragen sei ab November 1941 bis zur Ankunft von Willhaus ausschliesslich das Kommando der "Dirlewanger" zuständig gewesen. Das Gericht hält seine ursprüngliche Einlassung, die ohne jeden Vorbehalt gemacht worden war, für richtig. Die später vorgenommene Einschränkung ist als Bemühen zu werten, seine Verantwortlichkeit für die kasernierten Juden in der Zeit bis zur Ankunft von Willhaus abzuschwächen und diese auf andere zu schieben.

 

Die Einlassung des Angeklagten zu den übrigen vorstehenden Feststellungen wird bestätigt und insbesondere bezüglich der Zeitangaben präzisiert durch die glaubhaften Bekundungen der Zeugen Kol. und Fed. Insbesondere Fed. vermochte zur zeitlichen Eingrenzung der Errichtung und der Belegung des ZAL massgeblich beizutragen, da er noch im Besitz seines Soldbuchs ist. In diesem ist vermerkt, dass er vom 6.Juli 1942 bis zum 16.Oktober 1942 in verschiedenen Lazaretten war. Er bezeugte glaubhaft, dass vor seinem Krankenhausaufenthalt mit dem Bau des ZAL begonnen worden sei und dass dieses nach seiner Rückkehr belegt gewesen sei. Weitgehend fertiggestellt war das ZAL im August 1942, da es nach den Bekundungen vieler Zeugen, insbesondere des Zeugen Por., in die sogenannte Augustaktion des Jahres 1942 eingeschaltet war.

 

Bezüglich der Ankunftszeit von Willhaus vertritt die Verteidigung in ihrem Plädoyer die Ansicht, dieser sei bereits im Dezember 1941 nach Lemberg gekommen und habe schon zu diesem Zeitpunkt die Aufsicht über die Häftlinge in den beiden Unterkunftsbaracken auf dem DAW-Gelände übernommen. Sie folgert dies daraus, dass sich aus den Unterlagen des Document-Center in Berlin ergibt, dass Willhaus am 19.November 1941 zum Verwaltungs- und Wirtschaftshauptamt in Berlin versetzt worden ist; es sei üblich gewesen, dass nach einer solchen Versetzung sofort die Abordnung an den Ort der vorgesehenen Verwendung, demnach bei Willhaus nach Lemberg, erfolgt sei. Dieser Schluss ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gerechtfertigt: Der Zeuge Ble. hat ausgesagt, er sei Anfang oder Mitte März 1942 in die DAW nach Lemberg gekommen; er vermochte dieses Datum durch Zeitangaben über seine vorhergehende Tätigkeit in Deutschland genau einzugrenzen. Ble. bekundete weiter, er sei hundertprozentig sicher, dass Willhaus drei bis vier Wochen nach ihm gekommen sei. Der Angeklagte hat angegeben, er habe Willhaus erstmalig in Berlin kennengelernt, nicht erst in Lemberg. Wenn aber Willhaus am 19.11.1941 zu einer Dienststelle des VWHA nach Berlin versetzt wurde, vorher war er nach der Einlassung des Angeklagten in Norwegen im Einsatz gewesen, kann dieses Kennenlernen nur dann stattgefunden haben, als der Angeklagte im März 1942 eine Reise nach Berlin unternahm, um dort Werkzeug für die