Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.393

 

(VWHA) war, das später Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (WVHA) hiess. Da Pohl in Personalunion vertretungsberechtigter Alleingesellschafter der DWB und Chef des VWHA war, ferner die ihm unterstellten leitenden Personen der DWB einerseits handelsrechtliche Organe der einzelnen Gesellschaften, andererseits als SS-Angehörige in die Hierarchie des SS-VWHA eingegliedert waren, war es Pohl ermöglicht, ein rigoroses militärisches Führerprinzip auch bei den Wirtschaftsbetrieben der SS durchzusetzen. Von diesen Betrieben waren etwa 40 im wesentlichen mit der Produktion auf dem Gebiete der Baustoffe, der Ernährung, der Holzbearbeitung sowie der Textil- und Lederverwertung befasst. Diese waren in der Amtsgruppe W des Verwaltungs- und Wirtschaftshauptamtes zusammengefasst. Alle diese Betriebe arbeiteten mit einer kleinen Zahl von SS-Angehörigen, die die kaufmännische und technische Führungsspitze bildeten, während sich die Arbeitskräfte in der Regel aus Zwangsarbeitern rekrutierten. Grundsätzlich hatten die Leiter und Angestellten der SS-Wirtschaftsbetriebe keine Disziplinarstrafgewalt über die Arbeitskräfte. Disziplinwidrigkeiten der Arbeiter waren der Exekutive (den KZ-Kommandanten im Reich, im Generalgouvernement dem SS- und Polizeiführer) zu melden.

 

Einer der grössten und bedeutendsten der zur Amtsgruppe W gehörenden Wirtschaftsbetriebe waren die Deutschen Ausrüstungswerke GmbH (DAW), die im Jahre 1939 gegründet worden waren. In erster Linie befassten sich die DAW mit holz- und eisenverarbeitender Produktion. Die DAW hatten im Jahre 1943 12 Produktionsstätten zur Verfügung, darunter je ein Werk in Lemberg und Lublin. Das Anwachsen der Leistung der DAW ergibt sich daraus, dass die Umsatzzahlen im Jahre 1941 über 5 Millionen Reichsmark, im Jahre 1942 über 9 Millionen Reichsmark und 1943 über 23 Millionen Reichsmark betrugen.

Die Werke der DAW wurden von der Berliner Zentrale straff geleitet. Die Zweigwerke unterstanden Werkleitern, die ihre Anweisungen von der Hauptverwaltung erhielten und von dieser von Zeit zu Zeit kontrolliert wurden. Die Werkleiter waren gehalten, mit allen Kräften und unter Entwicklung eigener Initiative - notfalls durch entsprechende Vorschläge an die Berliner Zentrale - sich für die Steigerung der Produktion und den Ausbau der Produktionsmöglichkeiten einzusetzen.

 

Diese Feststellungen beruhen auf dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Oberbibliotheksrat Dr. Hans Günther Ser., der sich seit 1935 mit zeitgeschichtlicher Forschung befasst. Er war auf diesem Gebiet in den Nürnberger Prozessen als Sachverständiger tätig. In der Folgezeit standen ihm ausser den Protokollen über den Nürnberger Prozess und den darin ausgewerteten Dokumenten ein umfangreiches ungedrucktes Quellenmaterial über die NS-Zeit aus der zeitgeschichtlichen Sammlung des Instituts für Völkerrecht der Universität Göttingen zur Verfügung. In dem dortigen staatlichen Archivlager arbeitete Dr. Ser. bis zu seiner Pensionierung. An der Sachkunde des Sachverständigen bestehen somit keine Zweifel.

 

3. Die Anfänge der DAW Lemberg und der Beginn der Tätigkeit des Angeklagten dort

 

Ende Juli 1941 unternahm der Angeklagte mit Sturmbannführer Maurer, der der Berliner Zentrale der DAW angehörte, eine Dienstreise nach Lublin. Der dortige SS-Gruppenführer Globocnik und Maurer kamen überein, dem Angeklagten die Leitung eines Werkes in Lemberg zu übertragen. Am 1.August 1941 begab sich dieser nach Lemberg. In einer dort an der Janowskastrasse, die im deutschen Sprachgebrauch Weststrasse hiess, gelegenen Werkstätte hatte der Zeuge Mohwinkel seit einiger Zeit damit begonnen, mit jüdischen Arbeitskräften eine Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte aufzubauen. Die Arbeitskräfte, deren Zahl damals zwischen 60 und 120, möglicherweise auch bis 150 schwankte, kamen täglich in Kolonnen aus Lemberg und gingen abends wieder dorthin zurück. Sie konnten tagsüber nicht alle sinnvoll in dem Betrieb eingesetzt werden, da zunächst für eine solche Zahl nicht ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung standen. Der Angeklagte blieb in dem Betrieb, der aber weiterhin von Mohwinkel geleitet wurde. Mohwinkel führte ihn in die anfallenden Arbeiten eines Werkleiters ein. Zur Bewachung war Mohwinkel ein Kommando der Truppe "Dirlewanger",