Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.756a LG Saarbrücken 29.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.389

 

Lfd.Nr.756a    LG Saarbrücken    29.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.391

 

wesentlichen oblag es ihm dabei, seinen Leuten das Morsen beizubringen und sie im Umgang mit Blinklampen anzuleiten. Zu dieser Zeit war er Unterscharführer. Am 19.Januar 1935 wurde er zum Untersturmführer und Ende 1935 oder Anfang 1936 zum Obersturmführer ernannt. Als solcher war er 1936 in Breslau hauptberuflich in der Nachrichtenabteilung tätig, die er auf ganz Schlesien ausdehnen sollte. Hierzu wurden grössere Reisen nötig, die er, da er keinen eigenen Wagen hatte, nicht immer fristgerecht ausführen konnte. Weil er dieser Aufgabe nicht zur Zufriedenheit des SS-Oberführers in Breslau nachkam und wegen Differenzen im Zusammenhang mit seiner Spesenabrechnung, schied er bei der Nachrichtenabteilung aus. Gegen ihn wurde für zwei Jahre ein Verbot ausgesprochen, die SS-Uniform zu tragen und Veranstaltungen der SS zu besuchen. Während seiner beruflichen Tätigkeit in Warnemünde verlor er ganz den Kontakt zur SS. Er besuchte keine Veranstaltungen, versah keinen Dienst und zahlte auch keine Beiträge zur SS bzw. NSDAP. Diesbezüglich wurde er wegen seines Wohnsitzwechsels auch von niemanden angegangen. Seit Juni 1941 gehörte er der Waffen-SS an. Darin hatte er bis Kriegsende lediglich den untersten Dienstrang inne.

Auch bei der Allgemeinen SS ist er bis Kriegsende nicht mehr befördert worden. Er erklärt unwiderlegt, von einer in seiner SS-Stammrolle vermerkten Beförderung zum Hauptsturmführer am 30.Januar 1943 habe er nie Kenntnis erlangt. Diese Eintragung wurde ihm aus seiner beim Document-Center in Berlin verwahrten SS-Stammrolle vorgehalten.

 

Alle bisherigen Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten. Sie wurden uneingeschränkt der Urteilsfindung zu Grunde gelegt, da sonstige Beweismittel hierzu nicht zur Verfügung stehen. Insbesondere ist nicht auszuschliessen, dass eine Beförderung zum Hauptsturmführer der Allgemeinen SS nicht erfolgt ist, die Eintragung in der SS-Stammrolle somit auf einem Versehen beruht. Eine solche Beförderung hätte den Angeklagten ab Januar 1943 bis zum Verlassen Lembergs im Jahre 1944, also während eines Zeitraumes von etwa einem Jahr, in dem ungehinderter Kontakt zwischen Berlin und Lemberg bestand, ohne weiteres erreichen müssen. Zwar haben auch einige der vernommenen Zeugen bekundet, der Angeklagte habe ihrer Erinnerung nach im Jahre 1943 den Rang eines Hauptsturmführers bekleidet. Erinnerungsfehler der Zeugen insoweit sind aber nicht auszuschliessen. Ein Motiv, warum der Angeklagte eine Beförderung heute bewusst der Wahrheit zuwider in Abrede stellen könnte, wäre darin zu sehen, dass er damit den Schein einer Belohnung für systemkonformes Verhalten bei seiner Tätigkeit in den DAW vermeiden möchte. Eine derartige Zwecklüge liegt aber doch recht fern, so dass insoweit von der Einlassung des Angeklagten ausgegangen wird.

 

III. Persönlichkeit des Angeklagten

 

Bei dem Angeklagten handelt es sich um eine aktive, ausgesprochen leistungsorientierte Persönlichkeit. Er war in seinem Leben in starkem Masse bemüht, eine Arbeit und eine ihm gestellte Aufgabe im positiven Sinne zu erfüllen. Seiner Veranlagung nach war er stets bereit, Pionierarbeit zu leisten. Auf Grund seiner gut durchschnittlichen intellektuellen Begabung in Verbindung mit seinem positiven Leistungsstreben war er in der Lage, sich nach und nach in mehreren Berufssparten einzuarbeiten und es jeweils verhältnismässig schnell zu einer relativ herausgehobenen Stellung zu bringen. Seine Persönlichkeit wird weiter gekennzeichnet durch seine Bereitschaft, sich auf ihm fremde Arbeiten einzustellen und von anderen Spartenkundigen Fähigkeiten zu erlernen und sich anzueignen.

 

Das Gericht gewann dieses Persönlichkeitsbild von dem Angeklagten auf Grund seiner eingehenden Angaben über seinen persönlichen Werdegang, wobei seine positive Einstellung zu ihm beruflich gestellten Aufgaben deutlich zu Tage trat. Auch der Sachverständige Professor Dr. Wit. kam nach einer von ihm vorgenommenen eingehenden Exploration des Angeklagten zu dieser Charakterisierung. Diese Grundeinstellung zeigte der Angeklagte auch in der Zeit, in der er Leiter der DAW in Lemberg war. Dies erhellt aus seinen eigenen Schilderungen über seine damalige Tätigkeit, die ihm dort gestellten Probleme und die von ihm gefundenen