Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXV

Verfahren Nr.747 - 757 (1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.755 LG Arnsberg 23.06.1971 JuNSV Bd.XXXV S.375

 

Lfd.Nr.755    LG Arnsberg    23.06.1971    JuNSV Bd.XXXV S.384

 

obwohl er zur Schutzpolizei gehörte, ein SS-Abzeichen getragen, so stellte sich dies zum Schluss der Hauptverhandlung überraschend als richtig heraus. Auf einer von der Zeugin Fan. überreichten Gruppenaufnahme der Mielauer Schutzpolizisten trug - soweit erkennbar - tatsächlich nur Voss auf der Polizeiuniform ein Stoffabzeichen mit den SS-Runen.

 

Das Erinnerungsvermögen der Zeugen zeigte sich an einem weiteren Beispiel: Der Angeklagte betont immer wieder, dass er mit dem Ghetto nichts zu tun gehabt habe. Dafür wäre allein die Stadtpolizei zuständig gewesen. Genau das bestätigen die Zeugen.

Max Fre.: "Auch wenn in Mielau 100 Polizisten waren, so kamen doch nicht alle ins Ghetto. Darum frage ich mich immer, warum der Angeklagte kam."

Awracham Hen.: "Von der Feldgendarmerie kannte ich nur den Angeklagten."

Pesach Sza.: "Paulikat kam immer in seiner Freizeit. Es schien ihm Freude zu machen, die Leute zu verängstigen."

Szloma Prze.: "Es gab sonst keine Beamten, die ein so schlechtes Herz hatten, wie der Angeklagte und Vorsst ... Ich meine, dass der Angeklagte nicht auf Befehle, sondern aus eigener Initiative handelte. Es waren ja nicht alle so gemein."

Max Dun.: "Ich weiss nicht, was er im Ghetto zu tun hatte."

 

Wenn man in diesem Zusammenhang ferner bedenkt, dass den jüdischen Zeugen praktisch keine weiteren Namen von Gendarmeriebeamten bekannt sind - der Name des Kreispostenführers "Will" wird z.B. nie genannt -, so bekräftigt das die bereits beschriebene Überzeugung des Gerichts, dass sich der Angeklagte bei der Verfolgung und Drangsalierung der Juden fast stets ohne dienstlichen Auftrag aus eigenem Antrieb beteiligt hat. Er hätte im Ghetto genau so unbekannt bleiben können wie alle anderen Gendarmeriebeamten. Wenn der Angeklagte dem gegenüber meint, nur wegen seines auffälligen Hundes und wegen seines überörtlichen Einsatzes als Hundeführer sei er den Zeugen namentlich im Gedächtnis geblieben, so trifft dies allenfalls insoweit zu, dass er seinen Hund auch für Gewalttätigkeiten gegen Menschen missbrauchte, die ihm in schutzloser Armut ausgeliefert waren. Der Hund hat deshalb sicherlich dazu beigetragen, den Angeklagten zu identifizieren. Der wirkliche Grund dafür, dass die Zeugen sich so genau an ihn erinnern, liegt dagegen allein in seiner mitleidlosen Unmenschlichkeit, der letztlich die junge Jüdin in Striegenau zum Opfer gefallen ist.

 

VI. « Strafzumessung und Kostenentscheidung »

 

Der Angeklagte ist danach des Mordes gemäss §211 StGB schuldig. Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

 

Die Tat ist nicht verjährt.

 

Nach Art.89 Abs.I Satz 2 des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 25.6.1969 (BGBl. I S.645) - StrRG - musste dem Angeklagten die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, für die Dauer von 5 Jahren aberkannt werden. Darüber hinaus bestand für das Gericht kein Anlass, die gemäss Art.89 Abs.II StrRG in Verbindung mit §31 Abs.II und V StGB n.F. möglichen weiteren Nebenstrafen zu verhängen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§464, 465 StPO.