Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.379

 

c) Der Angeklagte war zwar nicht wegen derselben Tat, aber jedenfalls im Zusammenhang mit einer ihm vorgeworfenen Wachmanntätigkeit für die SS in Israel und zuvor in den USA von 1986 bis 1993 in Auslieferungs- und Untersuchungshaft, hiervon fünf Jahre zwischen Todesurteil und Freispruch.

 

d) Der Angeklagte hat sich zum Dienst bei den Deutschen rekrutieren lassen, weil es aus seiner Sicht keine vernünftige Alternative zum Leben im Kriegsgefangenenlager gab, wenn auch noch ohne konkrete Kenntnis von den Diensten, die von den Kriegsgefangenen dann verlangt wurden.

 

Er handelte nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Befehl.

 

II. Einzelstrafen

 

1. Strafrahmen

 

Der Strafrahmen für Beihilfe zum Mord reicht nach den geltenden §§211, 27, 49 Abs.1 Nr.1 StGB i.V.m. §2 Abs.3 StGB von drei Jahren bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe.

 

a) Der Strafrahmen der geltenden Regelung ist milder als der zur Tatzeit geltende Strafrahmen. Nach dem zur Tatzeit geltenden Recht der §§211, 49 Abs.2, 44 Abs.2 StGB 1943, §4 der VO gegen Gewaltverbrecher vom 5.Dezember 1939 338 und in der Fassung der VO vom 29.Mai 1943 339 reichte der Strafrahmen von drei Jahren Freiheitsstrafe bis zur Höchststrafe für Mord. Die Erfüllung entsprechender Tatbestände des polnischen Rechts ist wegen der Anwendbarkeit deutschen Rechts gem. §7 Abs.1 StGB von Bedeutung, bindet aber nicht hinsichtlich der Strafhöhe 340.

 

b) Weitere Strafrahmenverschiebungen über §§27 Abs.2, 49 Abs.1 Nr.1 StGB hinaus kommen nicht in Betracht.

 

Eine Strafrahmenverschiebung nach §§28 Abs.1, 49 Abs.1 StGB ist nicht vorzunehmen, weil das Mordmerkmal der Grausamkeit schwerpunktmässig die Art und Weise der Tötung kennzeichnet und daher kein besonderes persönliches Merkmal darstellt 341.

 

Sofern man §47 MStGB für anwendbar auf die Verbände der Trawniki-Männer hält, ordnet die Vorschrift keine Strafrahmenverschiebung an, da §47 Abs.1 Satz 2 den Strafrahmen der Beihilfe für anwendbar erklärt. Ein Absehen von Strafe nach §47 Abs.2 MStGB ist bei einer Gesamtwürdigung aller unter I 1 und 2 aufgeführter Gesichtspunkte angesichts der Vielzahl der Opfer und der Art der Tötung nicht angemessen.

 

Eine Strafrahmenmilderung nach §35 Abs.2 StGB kommt nicht in Betracht, weil der Angeklagte sich nicht in einem entschuldigenden Notstand befand.

 

338 RGBl. 1939 I S.2378, in Kraft seit 15.06.1943 (Art.71 WRV).

339 RGBl. 1943 I S.341.

340 LK/Werle/Jessberger §7 Rn 23; MK/Ambos §7 Rn 6.

341 BGH v. 04.03.1971 - 4 StR 386/70, BGHSt. 24, 106 (108) = NJW 1971, 1189; MK/Schneider §211 Rn 208; a.A. LK/Schünemann §28 Rn 72.