Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam
Lfd.Nr.579b BGH 24.08.1965 JuNSV Bd.XX S.377
Dies war durch die genannten Befehle ebenfalls nicht geboten (vgl. neues Urteil S.342). Dass eine Aktion wie die hier in Rede stehenden von zwei SS-Führern "geleitet" wurde, von denen der eine Vorgesetzter des anderen war, ist im Gegensatz zur Meinung der Verteidigung nicht unmöglich. Ob und in welchem Umfange die SS-Männer im Zeitpunkte der Exekution beiden Angeklagten oder nur dem Angeklagten Struve unterstanden, ist in diesem Zusammenhange unerheblich. Dr. Scheu, der, wenn auch auf Befehl Struves, die SS-Männer zu der Aktion hatte alarmieren lassen (neues Urteil S.318 f.) und dem allein der Befehl der Gestapo aus eigener Wahrnehmung bekannt war, hätte zumindest Struve darauf hinweisen können und müssen, dass die Befehle der Gestapo eine eigenhändige Beteiligung der SS-Männer an der Exekution nicht verlangten. Dass er das nicht getan hat, sondern ohne weiteres geduldet hat, dass die SS-Männer eigenhändig Juden erschossen, und sogar selbst eigenhändig Juden erschossen hat, zeigt, dass er hier, ebenso wie bei der Einteilung in der Kaserne, das Tatgeschehen weitgehend mit beherrschte.
An dieser Beurteilung ändert auch nichts, dass im neuen Urteil festgestellt wird, der Angeklagte Dr. Scheu habe die vier in der Grube liegenden Juden, die getroffen, aber noch nicht tot waren, erst auf eine entsprechende "Aufforderung" Struves hin erschossen (vgl. neues Urteil S.322). Es bleibt die Tatsache bestehen, dass Dr. Scheu mindestens vier weitere am Grubenrand kniende Juden erschossen hat, obwohl niemand (auch nicht der Angeklagte Struve) ihn hierzu aufgefordert hatte (vgl. neues Urteil S.322, 328).
Da der Verstoss gegen §358 Abs.1 StPO zugleich ein sachlichrechtlicher Mangel ist, kann der Senat das Urteil gemäss §354 Abs.1 StPO von sich aus ändern.
Das gilt auch für den Strafausspruch, weil §211 StGB die Strafe für Mord absolut bestimmt.
§4 der Verordnung zur Beseitigung nationalsozialistischer Eingriffe in die Strafrechtspflege vom 23.Mai 1947 (VOBl. BrZ S.65) und §5 Abs.2 WehrstrafG, die es dem Richter ermöglichen, bei Straftaten, die der Täter auf Befehl begangen hat, die Strafe zu mildern, sowie §47 Abs.2 MStGB, der es dem Richter gestattet, bei Taten dieser Art von Strafe abzusehen, greifen im vorliegenden Falle nicht durch.
§4 der genannten Verordnung gilt nur bei solchen in der Zeit zwischen dem 30.Januar 1933 und dem 8.Mai 1945 verübten Straftaten, bei denen die nachträgliche Verfolgung lediglich auf Grund der Vorschriften der Verordnung, insbesondere ihres §3 zulässig ist, der bestimmt, dass die Verjährung für den oben bezeichneten Zeitraum als ruhend gilt (vgl. BGHSt. 2, 20; BGH NJW 1953, 1034 zum Bayer. Gesetz Nr.22 zur Ahndung nationalsozialistischer Straftaten vom 31.Mai 1946 - GVBl. S.182). Das trifft hier nicht zu. Dass die Verfolgung der von den Angeklagten verübten Mordtaten auch dann nicht verjährt ist, wenn §3 a.a.O. ausser Betracht bleibt, ergeben die Darlegungen des Senats in seinem ersten Urteil 103 in dieser Sache. Im übrigen gestattet §4 a.a.O. dem Richter auch nicht, die gesetzliche Mindeststrafe zu unterschreiten (vgl. BGH NJW 1955, 231 zum Bremer Ahndungsgesetz). §47 Abs.2 MStGB und §5 Abs.2 WehrstrafG setzen voraus, dass die Schuld des Täters gering ist. Davon kann bei der hier gegebenen Sachlage nicht die Rede sein.
Die Entscheidung über die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte beruht auf den §§32, 36 StPO (vgl. hierzu auch BGHSt. 5, 207).
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist dagegen unbegründet, soweit sie sich gegen die Freisprüche der Angeklagten Dr. Scheu und Jagst von dem Vorwurf richtet, am 29.Juni 1941 in Sveksna drei jüdische Häftlinge ermordet zu haben.
Ob die Darlegungen auf S.312/3 « (neues Urteil) », es müsse (auf Grund einer Wahrunterstellung) zugunsten von Dr. Scheu davon ausgegangen werden, dass er - schon bei der Festnahme der Juden im Juni 1941 - weder eigenhändig Juden geschlagen, getreten oder gestossen, noch derartige Misshandlungen der Juden ... durch ausdrückliche Anordnung oder stillschweigende Duldung veranlasst habe, rechtsfehlerfrei sind, kann auf sich beruhen. Das Urteil bietet keinen Anhalt dafür, dass das Schwurgericht sich bei dem hier in Rede stehenden Freispruch von jenen Darlegungen hätte beeinflussen lassen.
Was in der Revisionsbegründung zur Rechtfertigung dieses Teiles der Revision sonst
103 = Lfd.Nr.511b.