Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam
Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.370
einen ruhigen Posten und war damit offensichtlich zufrieden. Er besass keinen weiteren beruflichen oder politischen Ehrgeiz und drängte sich deshalb nicht dazu, zusätzliche Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen. Eine eigene Initiative von Bastian ist daher wenig wahrscheinlich.
In diesem Zusammenhang taucht ferner die Frage auf, warum Bastian den kranken Juden ausgerechnet im Kasernengelände von Naumiestis erschossen haben soll, wo mit dem Erscheinen von unliebsamen Zeugen aus der litauischen Bevölkerung zu rechnen war, obwohl sich in der Nähe weit bessere Gelegenheiten anboten, um den Juden unauffällig zu beseitigen (z.B. im Waldgelände bei Siaudvyciai).
Schliesslich erweckt die Schilderung des Zeugen Bu. über seine eigene Reaktion auf die Erschiessung des kranken Juden durch Bastian gewisse Zweifel an seiner Aussage. Der Zeuge bekundet zwar, es könne sein, dass er Bastian nach der Tat vorgehalten habe, warum er den Juden erschossen habe. Indessen muss man aus seiner weiteren Aussage entnehmen, dass er sich über dieses (doch immerhin erschütternde) Geschehen nicht weiter erregt und sich darüber nicht viele Gedanken gemacht hat. Diese auffallend matte Reaktion ist etwas befremdend.
Bei einer Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten Bastian sprechenden Umstände besteht zwar ein erheblicher Verdacht, dass Bastian einen kranken Juden im Kasernengelände von Naumiestis erschossen hat, wie es der Zeuge Bu. bekundet. Dennoch hat das Schwurgericht auf Grund der uneidlichen Aussage dieses einzigen, noch dazu selbst tatverdächtigen Zeugen, die insoweit durch keine anderen Beweismittel unterstützt wird, nicht die volle Überzeugung von der Richtigkeit des dem Angeklagten Bastian gemachten Vorwurfs gewonnen.
3. Schlussfolgerung
Der Angeklagte Bastian war daher von dem Vorwurf einen alten und kranken jüdischen Häftling, den er mit einem Personenkraftwagen nach Litauen bringen sollte, unterwegs erschossen zu haben, mangels Beweises freizusprechen.
XIII. Die Strafzumessung
Der Angeklagte Dr. Scheu ist nach der Auffassung des Schwurgerichts wegen achtfacher gemeinschaftlicher Beihilfe zum Mord an je einem Menschen und wegen einer weiteren gemeinschaftlichen Beihilfe zum Mord an 212 Menschen zu bestrafen, während der Angeklagte Struve wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum Mord an einem Menschen und wegen einer weiteren gemeinschaftlichen Beihilfe zum Mord an 219 Menschen bestraft werden muss.
1. Der Strafrahmen
Da die Angeklagten gemäss §211 StGB n.F., §49 StGB a.F. verurteilt werden, beträgt die obere Grenze des Strafrahmens unter Berücksichtigung des §4 der GewaltverbrecherVO lebenslanges Zuchthaus, bei Verhängung einer zeitigen Strafe fünfzehn Jahre Zuchthaus (§14 Abs.2 StGB). Die untere Grenze des Strafrahmens liegt gemäss §44 Abs.2 StGB (alter und neuer Fassung) bei drei Jahren Zuchthaus. Das Mass der Gesamtstrafe, die aus mehreren zeitigen Freiheitsstrafen zu bilden ist (§74 Abs.1 StGB) darf den Betrag der verwirkten Einzelstrafen nicht erreichen und fünfzehnjähriges Zuchthaus nicht übersteigen (§74 Abs.3 StGB).
Die Vorschrift des §4 der Verordnung zur Beseitigung nationalsozialistischer Eingriffe in die Strafrechtspflege vom 23.Mai 1947 (VOBl. BrZ S.65), die beim Handeln auf Befehl eine Strafmilderung zulässt, hat die gesetzliche Mindeststrafe nicht verändert, sondern in Anlehnung an die Vorschrift des Artikels II Ziff.4d des Kontrollratsgesetzes Nr.10 nur einen fakultativen Strafmilderungsgrund innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens anerkannt (vgl. BGH NJW 1953 S.1034 und NJW 1955 S.231).
Da auf die Straftaten der Angeklagten Dr. Scheu und Struve das Militärstrafrecht Anwendung findet, sind aber §47 Abs.2 MStGB und der an seine Stelle getretene §5 Abs.2 des Wehrstrafgesetzes zu beachten, nach denen beim Handeln auf Befehl die Strafe