Justiz und NS-Verbrechen Bd.XX

Verfahren Nr.569 - 589 (1964 - 1965)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.281

 

Lfd.Nr.579a    LG Aurich    26.06.1964    JuNSV Bd.XX S.367

 

seine Tötung durch andere veranlasst zu haben, nicht überzeugen können.

 

3. Schlussfolgerung

 

Demnach war der Angeklagte Dr. Scheu im Falle Reuwen Richmann mangels Beweises freizusprechen.

 

XII. Die Ermordung eines tuberkulosekranken Juden durch Bastian

 

1. Tatsächliche Feststellungen

 

Der Eröffnungsbeschluss vom 9.Oktober 1963 legt dem Angeklagten Bastian zur Last, einen alten und kranken jüdischen Häftling, den er mit einem Personenkraftwagen nach Litauen bringen sollte, unterwegs in einer Entfernung von ca. 50 bis 60 m von dem Wagen erschossen zu haben. Über den Tatort und die Tatzeit enthält der Eröffnungsbeschluss keine näheren Angaben.

Das Schwurgericht hat zu diesem Vorgang keine Feststellungen treffen können.

 

2. Beweiswürdigung

 

Der Angeklagte Bastian wird insoweit nur durch die (uneidliche) Aussage des Zeugen Bu. belastet, der in diesem Zusammenhang folgendes bekundet hat:

Der Angeklagte Bastian habe eines Tages - kurz nach der "Importierung" der Juden, aber nach der Erschiessungsaktion bei Naumiestis - zu ihm gesagt, er müsse einen tuberkulosekranken Juden nach Litauen bringen; denn in das Krankenhaus in Heydekrug dürften keine Juden aufgenommen werden. Bastian habe dabei erwähnt, dass er bereits einen Wagen besorgt habe, jedoch keinen Führerschein besitze. Er habe deshalb ihn, Bu., gebeten, den Wagen zu fahren. Daraufhin seien er und Bastian in einem privaten Personenkraftwagen (wahrscheinlich in dem Opel-Wagen eines Metzgers) mit dem kranken Juden losgefahren. Der Jude sei ein älterer Mann und schon recht hinfällig gewesen; er habe sich kaum noch vorwärts bewegen können. Sie seien über Kolleschen nach Neustadt gefahren. Als sie dorthin gekommen seien, habe er, Bu., gefragt, wo hier das Krankenhaus sei. Bastian habe darauf erwidert: "Fahr' man weiter zur Kaserne!" Auf dem Kasernenplatz hätten sie gehalten. Bastian sei mit dem Juden ausgestiegen und habe ihn um ein Gebäude (Stall oder ähnliches) herumgeführt. Er, Bu., habe zunächst den Wagen gewendet und sei dann ebenfalls ausgestiegen. Er habe sehen wollen, wo hier das Krankenrevier wäre, und sei deshalb hinter Bastian hergegangen.

Als er sich der Ecke des Gebäudes genähert habe, hinter der Bastian mit dem Juden verschwunden war, sei ein Schuss gefallen. In dem Augenblick, als er um die Ecke herumgegangen sei, habe er deutlich gesehen, wie der Jude mit dem Gesicht nach vorn zu Boden gesunken und in ein etwa 50 cm tiefes Schützenloch gefallen sei. Zwar sei er nicht mehr zu dem Juden hingegangen. Trotzdem habe er keinen Zweifel, dass Bastian den Juden erschossen habe. Sein Standpunkt an der Ecke des Gebäudes sei nur 8 bis 10 Schritt vom Tatort entfernt gewesen. Die Entfernung vom Wagen bis zum Tatort habe etwa 40 bis 50 Schritt betragen.

Er, Bu., habe bis zu dem Augenblick, in dem er den Schuss gehört habe, nicht damit gerechnet, dass Bastian den kranken Juden erschiessen würde. Er habe vielmehr angenommen, dass Bastian ihn in ein Krankenhaus oder in ein Krankenrevier bringen würde. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass es in Neustadt überhaupt kein Krankenhaus gab. Er sei nur aus Neugier hinter Bastian hergegangen, um zu sehen, wo das Krankenrevier wäre.

Er wisse auch nicht, aus welchem Lager der Jude gekommen wäre; es müsse aber wohl ein Lager in Heydekrug gewesen sein. Wer Bastian beauftragt habe, den Juden nach Litauen zu bringen, könne er nicht angeben. Er wisse auch nicht, ob Bastian den Auftrag hatte, den Juden zu erschiessen.

Es könne sein, dass er Bastian nach der Tat vorgehalten habe, warum er den Juden erschossen habe. Er habe aber die Erschiessung niemandem gemeldet; denn die Aufträge, die Bastian hatte, seien ihn nichts angegangen. Soviel er wisse, sei Bastian