Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam
Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.361
wurde. Seine Angaben werden bestätigt durch die Aussage des deutschen Zeugen Su., der gesehen haben will, dass zwei oder drei Juden auf einem Lastkraftwagen abtransportiert wurden, und von Erzählungen der Juden berichtet, dass die abtransportierten Leute krank wären und wahrscheinlich umgebracht würden.
Die Feststellungen über die Selektion, die im Herbst 1941 im Lager Jahnstrasse stattfand, beruhen auf den Angaben des Zeugen Y.
Über die zweite Selektion im Lager beim Bürgermeisteramt berichtet der Zeuge La. Danach haben Dr. Scheu und Jagst die Auswahl vorgenommen. Beim Abtransport der Juden sollen Bastian und Al. zugegen gewesen sein. Dies klingt zunächst überraschend, weil Bastian sonst nichts mit den Judenlagern zu tun hatte; trotzdem ist es wahrscheinlich so gewesen, wie es der Zeuge geschildert hat.
Die Feststellungen über die zweite Selektion in Matzstubbern/Ullosen beruhen auf den Aussagen der Zeugen Hal., Arie Go., David Go. und Joseph Ar. und auf den Angaben der Zeugin Kü., die u.a. davon berichtet hat, dass die im Lager tätigen SS-Männer sich damit brüsteten, sie hätten die Juden "zu Jesus geschickt".
Von der zweiten Selektion im Lager Schillwen berichten die Zeugen Jo., Gl., Me. und Si.; jedoch gehen die Angaben über die Person der Täter und die Zahl der Opfer auseinander.
Die Feststellungen über die zweite Selektion in Wersmeningken beruhen auf den Aussagen der Zeugen L. und Sh. Während L. nur Al. als Täter bezeichnet, meint Sh., dass auch Dr. Scheu und Jagst an der Auswahl teilgenommen hätten. Dieser Widerspruch hat sich in der Hauptverhandlung nicht aufklären lassen.
Über die dritte Selektion im Lager Jahnstrasse, die im Spätsommer oder Herbst 1942 stattfand, berichten die jüdischen Zeugen Hal., Glu., Arie Go. und David Go. und der deutsche Zeuge Jog. Der Zeuge Hal., der allerdings bei der Aussonderung nicht zugegen war, sondern hiervon nur vom Hörensagen weiss, bezeichnet Dr. Scheu als Täter. Arie Go. nennt in diesem Zusammenhang Dr. Scheu und David Go. nennt Dr. Scheu und Jagst. Da beide Zeugen die Selektion miterlebt haben und damals Dr. Scheu schon oft gesehen hatten, ist die Feststellung gerechtfertigt, dass zumindest Dr. Scheu an dieser Aussonderung teilgenommen hat. Soweit David Go. auch den Angeklagten Jagst belastet, liegt wahrscheinlich ein Irrtum vor; denn Jagst war zu dem fraglichen Zeitpunkt bereits zur Waffen-SS einberufen. Von den Angaben der jüdischen Zeugen weicht die Aussage des Zeugen Jog. ab. Dieser hat bekundet, die auf dem Gutshof beschäftigten Juden hätten ihm erzählt, dass der "Lagerführer" die Auswahl vorgenommen habe; damit sei Al. gemeint gewesen. Das Schwurgericht kann dieser Aussage nicht folgen.
Der Zeuge Jog. hat in einem früheren Stadium des Verfahrens eindeutig bekundet, er habe selbst beobachtet, wie Al. die Aussonderung vorgenommen habe. Wenn der Zeuge nunmehr seine Aussage wesentlich abgeschwächt hat, so gibt dieser Umstand Veranlassung, seine Angaben mit besonderer Vorsicht zu werten. Ausserdem war Al. zu der Zeit, als die erwähnte Selektion stattfand, wahrscheinlich schon bei der Wehrmacht. Das Schwurgericht kann daher eine Beteiligung von Al. nicht feststellen.
An den Fall des Juden Chatzke Me., der mit dieser Selektion zusammenhängt, will der Angeklagte Dr. Scheu sich nicht besinnen können. Der Vorgang ist jedoch auf Grund der Angaben der Zeugen J., Me., Sh., Ar. und Jog. festgestellt worden.
Es besteht nach den gesamten Umständen des Falles kein vernünftiger Zweifel, dass die von den Aussonderungen betroffenen Juden nach Litauen gebracht und dort liquidiert worden sind.
Zu der Zeit, als in den Arbeitslagern die oben beschriebenen Selektionen vorgenommen wurden, hatten auf litauischem Gebiet bereits in grossem Umfang Massenerschiessungen stattgefunden, deren Ziel, sämtliche Juden zumindest im Grenzgebiet zu vernichten, klar erkennbar war. Da es sich bei den ausgesonderten Männern ebenfalls um Juden handelte, die aus dem litauischen Grenzraum, stammten, liegt deshalb die Annahme nahe, dass sie im Zuge der allgemeinen Vernichtungsaktionen ebenfalls getötet wurden. Denn eine solche Massnahme entsprach vollauf den Intentionen der damaligen Machthaber.