Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam
Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.356
waren. Die Stadt habe etwa 50 bis 70 Juden bekommen. Der Arbeitseinsatz sei allein durch die Stadt geregelt worden. Die Juden seien anfangs von städtischen Arbeitern bewacht worden. Eines Tages habe man ihm, dem Zeugen, eröffnet, die Juden kämen am nächsten Tage fort, weil sie häufig bettelten. Daraufhin sei er nach Memel zu einem SS-Führer gefahren; dieser habe eine schwarze Uniform getragen (Struve?). Bei diesem Führer habe er erreicht, dass die Juden bleiben durften. Der SS-Führer habe ihm jedoch gesagt, dass die SS die Juden bewachen müsse. Das Gespräch mit dem SS-Führer in Memel habe im Juli oder August 1941 stattgefunden. Danach hätten SS-Männer die städtischen Juden bewacht; sie hätten von der Stadt eine finanzielle Entschädigung erhalten.
Bei diesen sich vielfach widersprechenden Angaben der Angeklagten und der Zeugen lässt sich die Frage, wer in den ersten Monaten nach der Ankunft der Juden die Aufsicht und die Verwaltung der Lager hatte, nicht mit Sicherheit beantworten.
Auf Grund der insoweit glaubwürdigen Einlassung des Angeklagten Dr. Scheu, die auch von Struve bestätigt wird, steht jedoch fest, dass Dr. Scheu spätestens im Oktober/November 1941 für sämtliche in der Stadt und im Kreis Heydekrug bestehenden Judenlager die Aufsicht und Verwaltung übernommen hat.
Die Einlassung des Angeklagten Dr. Scheu, dass im ganzen nur etwa 300 Juden im Kreis Heydekrug zur Arbeit eingesetzt wurden, ist mit Sicherheit falsch. Die Feststellungen des Schwurgerichts über die Zahlen der aus Sveksna, Vevirzeniai, Kvedarna, Laukova, Naumiestis und Vainutas verschleppten Juden ergeben nämlich, dass insgesamt etwa 400 bis 500 Juden in den Kreis Heydekrug gebracht worden sind. Auch der Zeuge Ka., der mehrmals in der Woche Abfälle aus dem Lager Jahnstrasse abholte und dadurch mit den Wachmannschaften Verbindung hatte, berichtet davon, dass man seinerzeit von 400 bis 500 Juden gesprochen hat. Wie hoch die Zahl der Juden in dem Zeitpunkt war, als Dr. Scheu die Lageraufsicht übernahm, lässt sich aber nicht feststellen.
Die Einlassung von Dr. Scheu, dass seiner Aufsicht nur die Lager Jahnstrasse, Bürgermeisteramt (später Markthalle), Kallwellischken, Hermannlöhlen, Russ und Warruss unterstanden hätten, nicht aber die Lager Matzstubbern/Ullosen, Schillwen und Wersmeningken, ist ebenfalls unrichtig. Wie Dr. Scheu selbst einräumt, hat er spätestens im Oktober/November 1941 die Aufsicht über alle Judenlager, die damals im Kreis Heydekrug bestanden, übernommen. Die Beweisaufnahme hat aber eindeutig ergeben, dass die Lager Matzstubbern/Ullosen, Schillwen und Wersmeningken erst im Frühjahr 1942 aufgelöst worden sind. Ausserdem ist Dr. Scheu von den in der Hauptverhandlung vernommenen jüdischen Zeugen wiederholt in diesen Lagern gesehen worden. Demnach kann es nicht zweifelhaft sein, dass Dr. Scheu auch für die Lager Matzstubbern/Ullosen, Schillwen und Wersmeningken, in denen die Verhältnisse besonders schlimm waren, verantwortlich ist.
Die Feststellungen über die Errichtung und Auflösung der Arbeitslager und über die Zustände in den einzelnen Lagern und an den verschiedenen Arbeitsstellen beruhen in erster Linie auf den Aussagen der oben erwähnten jüdischen Zeugen, die in diesen Lagern festgehalten wurden und an den genannten Arbeitsstellen gearbeitet haben. Die Angaben der jüdischen Zeugen sind in vielen Punkten durch die Bekundungen der in der Hauptverhandlung vernommenen deutschen Zeugen bestätigt worden.
So haben über das Lager Jahnstrasse u.a. die Zeugen Balt., Bi., B., Bu., Ka., Kur., Mü., und Pr. berichtet.
Über das Lager am Bürgermeisteramt haben die Zeugen B., C., Paul Pe. und We. nähere Einzelheiten bekundet.
Vom Lager Tennetal berichten der Angeklagte Al. und der Zeuge Bu.
Die schrecklichen Zustände im Lager Matzstubbern/Ullosen sind von der Zeugin Kü. - einer Bauerntochter aus Coadjuthen, die sowohl mit den gefangenen Juden als auch mit den jungen SS-Wachmännern häufig zusammenkam - sehr eindrücklich geschildert worden. Auch die Zeugen Bal., Bu., Lu., Pa., Rie. und Schap. berichten von diesem Lager.
Über das Lager bei Piktaten und den Einsatz der dort festgehaltenen Juden hat der Zeuge Pa. nähere Angaben gemacht.