Justiz und NS-Verbrechen Bd.XX

Verfahren Nr.569 - 589 (1964 - 1965)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.281

 

Lfd.Nr.579a    LG Aurich    26.06.1964    JuNSV Bd.XX S.355

 

ihn nach der Ankunft der Juden beauftragt, sich um die jungen Wachleute im Lager Jahnstrasse zu kümmern und dort gelegentlich zusätzlichen Wachdienst zu verrichten, insbesondere bei Besichtigungen durch auswärtige SS-Führer. Er sei deshalb bei einer Besichtigung des Lagers Jahnstrasse durch einen höheren SS-Führer aus Tilsit zugegen gewesen. Anfangs hätten Bu. die Verwaltung der Lager und Pa. den Arbeitseinsatz der Juden geleitet. Später habe Dr. Scheu die Lageraufsicht übernommen.

 

Der Angeklagte Al. hat zunächst angegeben, er habe sich bei seiner Einberufung zum Wachdienst der SS im August 1941 bei Dr. Scheu melden müssen, der ihm eröffnet habe, dass er jüdische Häftlinge bewachen solle. Später hat Al. seine Einlassung geändert und behauptet, er habe sich auf dem Landratsamt melden müssen und sei von einem Beamten des Landkreises zum Wachdienst eingeteilt worden. Auf Vorhalt hat er aber doch wieder eingeräumt, dass er sich möglicherweise bei Dr. Scheu gemeldet habe und von diesem zum Wachdienst eingeteilt worden sei.

 

Der Zeuge Schm. räumt ein, dass er in seiner Eigenschaft als kommissarischer Landrat bei der Verteilung der Juden auf die einzelnen Arbeitsstellen mitgewirkt hat, will sich allerdings an die Einzelheiten nicht mehr erinnern. Er gibt an, die Lager seien von Anfang an durch die SS bewacht worden; das hätte er damals so mit Dr. Scheu abgesprochen. Erst als sich ein Mangel an Wachmännern ergeben habe, seien auch Zivilisten zum Wachdienst verwendet worden, die vom Kreis zu Hilfspolizisten bestellt worden wären. Dies sei aber erst ab Herbst 1941 geschehen. Jagst und Bu. hätten im Auftrage des Landratsamtes nichts mit den Lagern zu tun gehabt; möglicherweise seien sie aber von der SS beauftragt worden, sich um die Lager zu kümmern.

Die leitenden Bürobeamten des Landratsamtes, die Zeugen K. und Ros., bekunden beide, sie hätten mit den Lagern überhaupt nichts zu tun gehabt. K. berichtet allerdings, der kommissarische Landrat Schm. habe ihn nach der Ankunft der Juden aufgefordert, die verwaltungsmässige Bearbeitung der Judenlager (Beschaffung der Unterhaltsmittel, Verteilung auf die einzelnen Arbeitsstellen und Einziehung der Löhne) zu übernehmen. Er, K., habe das abgelehnt. Daraufhin habe der Landrat Ros. mit der Lagerverwaltung beauftragt. Ros. habe diese Aufgabe zunächst übernommen, dann aber ebenfalls abgelehnt. Die Lagerverwaltung sei daraufhin noch im Sommerhalbjahr 1941 auf die Gutsverwaltung Adlig-Heydekrug übertragen worden. Der Zeuge Ros. erklärt dazu, die Schilderung von K. stimme nicht.

 

Der Zeuge Bu. bekundet, er wisse nicht, wer die Leitung der Judenlager hatte. Er könne auch nicht sagen, ob Dr. Scheu später die Oberaufsicht übernommen habe. Es sei in den Lagern keine militärische Ordnung gewesen, die Sache sei vielmehr mehr oder weniger von selbst gelaufen. Die Juden seien zunächst von SS-Männern und dann von SA-Leuten bewacht worden. Da die Männer nach und nach zum Wehrdienst einberufen worden seien, habe der Kreisleiter noch im Sommer 1941 bei den Ortsgruppen bekannt gegeben, dass sich alle Leute, die sich 8.- RM pro Tag verdienen wollten, zum Wachdienst melden könnten. Die Leute hätten sich auf Grund einer zwischen Dr. Scheu und dem Kreisleiter getroffenen Vereinbarung bei ihm, Bu., auf dem Landratsamt melden müssen; er habe sie dann zu Dr. Scheu geschickt, der die Männer eingestellt und zum Wachdienst eingeteilt habe.

Der Zeuge Pa. meint, der Landkreis habe für die Juden, die im Strassenbau eingesetzt waren, den Arbeitseinsatz, die Unterkunft und die Verpflegung verwalten müssen; mit der Beschaffung der Wachleute habe er dagegen nichts zu tun gehabt, sondern nur den Lohn für die Wachmänner bezahlen müssen.

 

Die Zeugen Ker. (früher Kre.), Kur. und Rot., die bei der Kreisleitung der NSDAP tätig waren, wollen nichts davon wissen, wer die Judenlager zu beaufsichtigen und zu verwalten hatte. Der Zeuge Kur. meint allerdings, er habe einmal gehört, dass Jagst das Lager an der Sziesze (Jahnstrasse) zu inspizieren hatte. Der Zeuge Fo. (damals SA-Sturmführer) behauptet, dass die SA die Bewachung der Lager nicht übernommen habe.

Der Bürgermeister von Heydekrug, der Zeuge We., bekundet, er habe von der Herbeischaffung der jüdischen Arbeitskräfte erst erfahren, als die Juden bereits in Heydekrug