Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam
Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.353
wegen angeblich schlechter Arbeitsleistung als auch aus sonstigen nichtigen Anlässen verhängt, etwa wenn ein Jude die Wachmänner nicht stramm genug gegrüsst, sein Bett nicht ordentlich gebaut oder sich zu sehr zum Essen gedrängt hatte oder wenn er beim Spatenappell aufgefallen war.
Besonders wilde Schläger waren der Lagerführer Smailius und der Angeklagte Al. Dieser pflegte jeden Abend, wenn die Juden von der Arbeit ins Lager zurückkehrten, zu fragen: "Wer hat Meldung?" Hierauf mussten alle Häftlinge vortreten, die dem Wachmann oder dem Vorarbeiter bei der Arbeit aufgefallen und von ihm zur "Meldung" bestimmt waren. Al. schlug dann die betreffenden Juden auf geradezu sadistische Weise. Obwohl Al. Lagerführer in Wersmeningken war, erschien er häufig auch in den Lagern Matzstubbern/Ullosen und Schillwen, die er mit seinem Motorrad schnell erreichen konnte. Auch in diesen Lagern übte er sein Schreckensregiment aus und vollzog erbarmungslos die schwersten Prügelstrafen. So schlug er einmal in Matzstubbern den jungen Juden Heini Ellert furchtbar zusammen, weil man bei ihm ein Stück Zeitung gefunden hatte. Als Ellert unter den Schlägen zusammenbrach, liess Al. ihn mit kaltem Wasser übergiessen und schlug dann weiter auf ihn ein. Auch die Zeugen Dr., L. und Sh. wurden von Al. geprügelt.
Die Verpflegung der Juden war mindestens bis zum Frühjahr 1942 völlig unzureichend. Die Männer erhielten nur dünne Suppen und täglich ein kleines Stück Brot. Sie waren deshalb gezwungen, bei der Bevölkerung zu betteln, wenn sie nicht verhungern wollten. Da die Juden wegen ihres erbarmungswürdigen Zustandes Mitleid erregten, steckten ihnen die in der Nachbarschaft der Lager wohnenden deutschen Zivilisten häufig Lebensmittel zu; sie mussten dies aus Furcht vor den SS-Bewachern heimlich tun.
Die Bekleidung der Juden war ebenfalls traurig. Da die wenigen Sachen, welche die Juden bei sich hatten, durch die harte Arbeit sehr strapaziert wurden, liefen die Männer bald völlig abgerissen herum. Die Wachmannschaften nahmen darauf aber keine Rücksicht. Viele Juden mussten im Winter im Freien arbeiten, obwohl sie kein brauchbares Schuhwerk, keine Strümpfe und keine Handschuhe besassen.
Als im Frühjahr 1942 die Lager Matzstubbern/Ullosen, Schillwen und Wersmeningken aufgelöst wurden, besserte sich das Los vieler Juden, obwohl es auch dann noch schlimm genug blieb. Soweit die Männer in der Landwirtschaft oder im Torfbruch arbeiteten, erhielten sie wenigstens ausreichende Verpflegung; auch die sonstige Behandlung war dort besser. In Russ sorgte der Ortsbauernführer Schaak ebenfalls für eine ausreichende Ernährung der Juden. Er und der Strommeister Josuttis behandelten die Juden in jeder Hinsicht menschlich und erwarben sich hierdurch das Vertrauen und die tiefe Dankbarkeit der Häftlinge.
Die Einrichtung der Judenlager im Kreis Heydekrug war mit den damals geltenden Bestimmungen über den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte und mit den Anweisungen, welche die Stapostelle Tilsit zum Beginn des Russlandfeldzuges bekommen hatte, in keiner Weise zu vereinbaren. Wie es trotzdem möglich war, dass die Juden bis zum Sommer 1943 in Heydekrug blieben, hat sich nicht klären lassen. Das Schwurgericht hat insbesondere nicht feststellen können, ob und gegebenenfalls wann die Stapostelle Tilsit von den Arbeitsbeschaffungsaktionen der Heydekruger SS und von der Errichtung der Judenlager Kenntnis erhielt. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die Stapostelle zumindest eine Zeitlang von dem Bestehen der Lager unterrichtet war und deren Existenz ausdrücklich oder stillschweigend duldete.
Etwa vom Jahre 1942 an schickte die "SS-Lagerverwaltung 2/R 20" in regelmässigen Abständen Stärkemeldungen über die Zahl der jüdischen Arbeitskräfte an das Arbeitsamt Memel - Nebenstelle Heydekrug -. Die Nebenstelle gab diese Meldungen an das Arbeitsamt in Memel weiter. Demnach war die Arbeitsverwaltung über den Einsatz der jüdischen Zwangsarbeiter unterrichtet.
Auch der Regierungspräsident Dr. Ro. (Zeuge) wusste von der Existenz der Judenlager. Er war hiermit nicht einverstanden und drängte deshalb auf ihre Beseitigung.
Ende Juli 1943 wurden sämtliche jüdischen Zwangsarbeiter, die sich damals noch