Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.735b BGH 11.05.1971 JuNSV Bd.XXXIV S.347

 

Lfd.Nr.735b    BGH    11.05.1971    JuNSV Bd.XXXIV S.351

 

Judenvernichtung leisten, die NS-Machthaber unterstützen und dadurch seine Gefolgschaftstreue unter Beweis stellen wollte (UA S.14 154).

 

Das Schwurgericht ist bei der Würdigung dieser Feststellung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen, dass für die Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe die innere Haltung des Täters zur Tat entscheidend ist, also auch derjenige als blosser Gehilfe angesehen werden kann, der alle Tatbestandsmerkmale eigenhändig erfüllt, sofern sein Wille dahin ging, nur eine fremde Tat zu unterstützen (BGHSt. 2, 150, 156; 2, 169, 170; 4, 20, 21; 6, 226, 228; 6, 248, 249; 8, 70, 73; 18, 87, 89 ff.; BGH NJW 1951, 120 Nr.14; 1954, 1374, 1375 Nr.17; BGH, Urteile vom 22.1.1963 - 1 StR 457/62 155 -, 10.12.1963 - 5 StR 432/63 156 -, 21.4.1967 - 4 StR 37/67 -). Es hat auch nicht verkannt, dass dies nur ausnahmsweise der Fall ist, weil in der Regel derjenige, der eine Tat eigenhändig begeht, als Täter einzustufen ist (UA S.26 157).

 

Von diesem Ausgangspunkt her legt das Schwurgericht in einer eingehenden Beweiswürdigung dar, dass es trotz deutlicher darauf hinweisender Ansatzpunkte nicht zu der Überzeugung einer Täterschaft des Angeklagten gelangen konnte, weil es bei ihm an einem eigenen Täterwillen fehlte, so dass er in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" nur als Gehilfe schuldig gesprochen werden konnte (UA S.26 f. 158; vgl. hierzu BGHSt. 23, 204).

 

Diese Schlussfolgerung ist möglich; zwingend ist sie nicht, aber das braucht sie auch nicht zu sein (BGH NJW 1951, 325 Nr.26; 1967, 359, 360 Nr.10).

 

Auch die in der Entscheidung BGHSt. 18, 87 niedergelegten Grundsätze stehen dem nicht entgegen. Nach der Überzeugung des Schwurgerichts war der Angeklagte, auch wenn er aus niedrigen Beweggründen gehandelt hat, keinesfalls der überzeugte willige Befehlsempfänger, der als Täter anzusehen ist, wenn er sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt. Bei dem Angeklagten handelte es sich vielmehr um einen einfachen Mann mit geringem Intelligenzgrad und wenig ausgeprägter Kritikfähigkeit, der der Übermacht der Staatsautorität nichts entgegenzusetzen vermochte und dem es bei seiner charakterlichen Struktur nur darum ging, die Massnahmen seiner "Brotgeber" zu unterstützen (UA S.27 159).

 

Die Revision der Staatsanwaltschaft war daher ebenfalls zu verwerfen.

 

 

 

154 = Seite 336 dieses Bandes.

155 Siehe Lfd.Nr.551c.

156 Siehe Lfd.Nr.549b.

157 = Seite 342 dieses Bandes.

158 = Seite 342 dieses Bandes.

159 = Seite 342 dieses Bandes.