Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam
Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.349
bei den Gehilfen unabhängig davon geprüft werden, ob bei den Haupttätern eine oder mehrere Handlungen vorliegen.
Das Verhalten der Angeklagten bei der Kaserne in Naumiestis, auf der Fahrt zum Erschiessungsplatz und am Erschiessungsort selbst ist, soweit die Angeklagten nicht eigenhändig auf die Opfer geschossen haben, als eine im natürlichen Sinne einheitliche Handlung aufzufassen, die allerdings aus einer Mehrzahl von Betätigungsakten (Teilakten) zusammengesetzt ist. Diese Mehrzahl von Teilakten lässt sich nicht in mehrere selbständige Handlungen aufgliedern, weil die strafrechtlich erhebliche Betätigung der Angeklagten stets nicht nur den Tod eines Juden, sondern den Ablauf der Gesamtaktion fördern sollte und tatsächlich auch gefördert hat.
Im Gegensatz zu der in dem Urteil vom 29.Mai 1961 98 vertretenen Auffassung sieht das Schwurgericht jedoch die Erschiessungen, welche die Angeklagten eigenhändig vorgenommen haben, und zwar sowohl die sogenannten Nachschüsse auf bereits angeschossene Juden, als auch die Exekutionen von am Grubenrand knienden, noch unverletzten Juden, als im Rechtssinne selbständige Handlungen an. Denn insoweit richtete sich das Tun der Angeklagten jeweils nur gegen eine Person. Mehrere Handlungen aber, deren jede sich gegen eine Person allein richtet, können weder durch ihre Aufeinanderfolge, noch durch einen einheitlichen Tatplan und Vorsatz zu einer natürlichen Handlung zusammengefasst und damit zu einer Tat im Rechtssinne werden. Trotz des Aneinanderreihens und des gleichen Vorsatzes bleiben sie selbständig (BGHSt. Bd.2 S.247 und Bd.16 S.398).
Demnach ist der Angeklagte Dr. Scheu, soweit er selbst auf die Opfer geschossen hat, der achtfachen gemeinschaftlichen Beihilfe zum Mord an je einem Menschen und, soweit seine sonstige Mitwirkung an der Massenexekution in Betracht kommt, einer weiteren gemeinschaftlichen Beihilfe zum Mord an 212 Menschen schuldig.
Der Angeklagte Struve ist dagegen einer gemeinschaftlichen Beihilfe zum Mord an einem Menschen und einer weiteren gemeinschaftlichen Beihilfe zum Mord an 219 Menschen schuldig.
f. Keine Verjährung der Strafverfolgung
Wie der Bundesgerichtshof in seinem am 22.Mai 1962 ergangenen Revisionsurteil 99 ausgeführt hat, ist die Strafverfolgung noch nicht verjährt. Es wird hierzu auf die Gründe des genannten Urteils (insoweit abgedruckt in NJW 1962 S.2209) verwiesen.
IX. Der Einsatz jüdischer Zwangsarbeiter im Kreis Heydekrug in den Jahren1941 bis 1943
1. Tatsächliche Feststellungen
Die in Sveksna, Vevirzeniai, Kvedarna und Laukova festgenommenen Juden wurden sämtlich in den Kreis Heydekrug gebracht und teils in der Stadt Heydekrug, teils im übrigen Kreisgebiet bei verschiedenen Arbeiten verwendet. Zu ihnen kamen später noch die 60 bis 70 Juden aus Naumiestis und Vainutas, die man im Rahmen der Erschiessungsaktion zur Arbeit ausgewählt und deshalb von der Tötung verschont hatte. Insgesamt wurden etwa 400 bis 500 Juden in den Kreis Heydekrug verschleppt.
Die Juden wurden zunächst in verschiedenen Arbeitslagern im Kreis Heydekrug untergebracht und von bewaffneten, uniformierten Angehörigen der allgemeinen SS, der SA und der Hitlerjugend bewacht, die hierfür eine finanzielle Entschädigung erhielten; später verwendete man für den Wachdienst auch Zivilisten, die als Hilfspolizisten verpflichtet worden waren. An den Arbeitsstellen führten entweder diese Wachmänner oder Angestellte bzw. Vorarbeiter von privaten Baufirmen die Aufsicht.
Die Frage, wer in den ersten Monaten nach der Ankunft der Juden die Aufsicht und die Verwaltung der Arbeitslager hatte, ist in der Hauptverhandlung nicht restlos geklärt worden.
Wahrscheinlich regelte zunächst das Landratsamt den Arbeitseinsatz, die Unterbringung und die Verpflegung der Juden sowie die Bezahlung der Wachmänner. Nur für