Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.735b BGH 11.05.1971 JuNSV Bd.XXXIV S.347

 

Lfd.Nr.735b    BGH    11.05.1971    JuNSV Bd.XXXIV S.347

 

1 StR 91/71

 

Im Namen des Volkes

 

 

In der Strafsache gegen

 

den Rentner Johann Unt. aus München-Aubing, geboren am 12.April 1900 in München,

 

wegen Beihilfe zum Mord.

 

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11.Mai 1971 für Recht erkannt:

 

Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Schwurgerichts beim Landgericht München I vom 18.Juni 1970 werden verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels; der Staatskasse fallen die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen, soweit sie ausscheidbar sind, zur Last.

 

 

GRÜNDE

 

A. « Die Feststellungen des Schwurgerichts »

 

Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen dreier rechtlich zusammentreffender Verbrechen der Beihilfe zum Mord, begangen in Mittäterschaft, zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

 

Es hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

 

In der ersten Hälfte des Jahres 1942 begann in dem von deutschen Truppen besetzten Polen im Rahmen der von den nationalsozialistischen Gewalthabern propagierten "Endlösung der Judenfrage" die "Liquidierung", d.h. die Tötung der jüdischen Bevölkerung in den Massenvernichtungslagern Auschwitz, Belzec, Sobibor und Treblinka. Die Juden, die bereits seit dem Jahre 1941 in bestimmten Wohnbezirken und Ghettos zusammengefasst waren, wurden entweder unmittelbar in diese Lager transportiert oder zunächst in Durchgangslager gebracht, wo sie Zwangsarbeit leisten mussten, bevor auch sie in die Vernichtungslager kamen. Im Herbst 1943 diente als Durchgangslager für Judentransporte nach Auschwitz auch das Zwangsarbeitslager Szebnie / Distrikt Krakau, von dem aus zeitweise eine Nebenstelle in Rymanow Bezirk Krosno unterhalten worden war. Nach der Auflösung dieser Nebenstelle im April 1943 wurden einige Gruppen jüdischer Häftlinge aus dem Lager Szebnie und anderen Durchgangslagern nach Rymanow verbracht, um die dortigen Baracken abzureissen sowie die einzelnen Bauteile zunächst auf Bauernfahrzeuge und sodann auf Eisenbahnwaggons zu verladen. Diese Arbeit war etwa im Juli 1943 beendet. Die jüdischen Häftlinge wurden in ihre Ausgangslager zurücktransportiert. Im November 1943 kam ein grosser Teil der Insassen des Lagers Szebnie zur Vernichtung nach Auschwitz; Anfang 1944 wurde das Lager ganz aufgelöst.

 

Das Nebenlager Rymanow stand unter der Leitung eines deutschen Polizeihauptwachtmeisters, ein oder zwei weiterer Deutscher und des Angeklagten, der den Dienstgrad eines SS-Hauptscharführers inne hatte. Er war vorwiegend mit der Aufsicht über die Häftlinge